Interview mit Patrick Schellenberger, Küchenchef im Restaurant Michaelis
Essen – für die Einen der Inbegriff von Leidenschaft, für die Anderen muss es im Alltagsstress einfach möglichst schnell gehen. Der Genuss und das Zeitnehmen für eine leckere Mahlzeit stehen da leider nur selten im Vordergrund. Wir treffen heute jemanden, bei dem Essen nicht nur eine sehr große Leidenschaft ist, sondern der diese Passion zu seinem Beruf gemacht hat – Patrick Schellenberger, Küchenchef vom Restaurant Michaelis.
Als wir im Hotel Michaelis in der Leipziger Südvorstadt ankommen, werden wir freundlich begrüßt. Der Trubel vom Mittagsgeschäft ist in der Küche noch zu spüren und so nehmen wir für ein paar Minuten draußen auf der gemütlichen Sonnenterrasse Platz. Da möchte man am Liebsten gar nicht mehr aufstehen, doch schon holt uns Küchenchef Patrick Schellenberger ab und führt uns ins Restaurant, wo wir unser Gespräch beginnen. Die Leidenschaft für’s Essen und den Genuss ist in dem hellen Raum spürbar und auch Patrick Schellenbergers Art über das Kochen zu sprechen, bestätigt diesen Eindruck.
Herr Schellenberger, wann war Ihnen bewusst, dass Kochen für Sie das Richtige ist und warum?
Kurz nachdem ich die Schule zu Ende gemacht hatte, habe ich mich hier in Leipzig auf eine Küchenstelle beworben und war auch sehr froh darüber, dass ich diese bekommen habe. Aber dann kam die Einberufung in die Bundeswehr und deswegen verlief es erst einmal im Sande. Der Küchenchef rief mich aber kurz danach an und fragte, ob ich noch Interesse hätte an der Lehrstelle. Er wollte sofort eine Antwort haben. Da ich noch keine anderen Pläne hatte, habe ich Ja gesagt und direkt nach der Bundeswehr die Stelle angenommen. Ich glaube, viele haben eine andere Vorstellung vom Kochen und wie schön das zu Hause ist und bekommen dann erst einmal ein ganz anderes Bild davon oder werden verschreckt. Bei mir hat sich eher die Grundidee gefestigt, dass alle dasselbe Grundprodukt haben und dass vor allem alle mit Wasser kochen. Was man daraus machen kann und auch wie man das Produkt verändern kann, auch die eigenen Grenzen auszutesten, das hat mich so fasziniert. Sich frei zu entfalten und kreativ zu sein mit Lebensmitteln war definitiv eine Herausforderung.
Wie ging es nach der Ausbildung weiter?
Danach ging es für mich direkt ins Ausland nach Schottland, dort habe ich beim G8-Gipfel gearbeitet. Danach bin ich mit meiner Frau zusammen in die Staaten gegangen. Ich war in Massachusetts – eine wunderschöne Ecke, in der ich fast zwei Jahre gelebt habe. Anschließend ging es in die Schweiz, um die Wintersaison dort mitzumachen und den Weltwirtschaftsgipfel. Das war wieder etwas ganz anderes als in Amerika und eine Herausforderung. Danach war ich noch ein Jahr in Australien und bin dann wieder nach Deutschland zurückgekehrt. Da habe ich an der Küste in Husum gearbeitet in einem kleinen Gourmetrestaurant. Da meine erste Tochter dann unterwegs war, bin ich wieder nach Leipzig zurückgekehrt.
Was waren die eindrücklichsten Erfahrungen, die Sie in den Küchen dieser Welt gesammelt haben?
Im Großen und Ganzen der asiatische Touch in Australien und viel Handwerklichkeit in der Schweiz. Aber das was ich am Meisten mitgenommen habe, sind die vielen Menschen, mit denen ich gearbeitet habe und der Umgang in der Küche. Dass der teilweise raue Ton, der in der Küche herrscht und worauf manche sogar stolz sind, nicht sein muss. Selbst in den tollsten Restaurants in Australien, wo 25 Menschen in der Küche waren, herrschte ein ruhiger Ton und mit den Mitarbeitern wurde auf Augenhöhe gesprochen. Es mussten keine Pfannen fliegen und es gab auch kein Geschrei. Das wird einem dort vorgelebt. Ich glaube, das ist eine der wichtigsten Erfahrungen, die ich mitgenommen habe: wie man mit anderen Menschen umgehen muss, die Stärken des Einzelnen fördern und die Entfaltung eines jeden im Team, denn es geht nur als Team.
Wie setzen Sie das Ganze hier im Hotel Michaelis um?
Im Restaurant haben wir den Vorteil, dass wir einen doch relativ modernen Stil konsequent umsetzen können.
Woher nehmen Sie Ihre Inspiration?
Für das Restaurant viel durch das miteinander Reden und manchmal auch einfach herumspinnen: was passt zusammen und wie wollen wir das ausarbeiten? Natürlich belesen wir uns auch und informieren uns, zum Beispiel bei anderen Küchenchefs, um zu schauen, was ist möglich und vor allem auch, was bieten Händler an? Dann ist natürlich immer die Frage, wie wird es angenommen?
Ich habe erst vor kurzem schwarze Möhren gegessen, ein sehr altes und interessantes Gemüse. Fällt Ihnen spontan etwas dazu sein? Vielleicht ein Geheimrezept?
Also am besten immer in der Schale kochen, damit die Farbe erhalten bleibt und danach erst schälen. Dann würde ich eine warme Vinaigrette dazu machen aus Honig, Essig, Öl, Salz und ein bisschen Zitronensaft. Danach noch kurz im Ofen bei 220° backen und einfach genießen.
Das Video auf der Michaelis Homepage gibt einen kleinen Einblick hinter die Kulissen eines großen Unternehmens. Es sah aber auch sehr stressig aus. Wie gehen Sie mit Stresssituationen um oder macht gerade das den Reiz aus?
Definitiv macht es den Reiz aus, denn das ist ja das Schöne an dem Unternehmen: man hat dieses kleine feine Restaurant hier mit seinen 30 Sitzplätzen und im Gegensatz dazu in der gleichen Woche ein Buffet für 500 Menschen oder für ein Menü für 300 Menschen, das zubereitet werden muss. Nicht nur die Planung, sondern auch die Umsetzung auf den Punkt ist wichtig. Das Schöne ist, dass das Unternehmen so mit gewachsen ist, dass sich die Last auf mehrere Schultern verteilt. So weiß jeder, wo seine Stärken liegen und auf wen man sich in welchem Bereich verlassen kann. Dann läuft es Hand in Hand.
Was war bisher das größte Menü, das Sie zubereitet haben?
Das war ein Menü für über 400 Personen in Berlin bei einer Veranstaltung für einen großen Reifenhersteller. Zwei Vorspeisen, ein Hauptgang und das Dessert mit Reifenspur auf dem Teller, das war sehr spannend. Der Platz war dort recht begrenzt und das ganze Essen und das Equipment musste nach Berlin gefahren werden. Das waren insgesamt 1.600 Teller, die hintereinander hinausgehen mussten.
Gibt es einen Plan B, wenn etwas schief geht?
Nein. Es muss funktionieren, also volles Risiko.
Was genau fasziniert Sie an der gehobenen Küche?
Die Faszination ist, dass man nicht jeden Cent umdrehen muss. Wenn ich fünf Euro mehr abnehmen kann, kann ich auch irgendwo einen Euro mehr einsetzen. Ich kann ein Huhn oder ein Schwein einkaufen, das artgerecht gehalten wurde oder einen Fisch, der über Leine und nicht über ein Schleppnetz gefangen wurde. Und ich kann hoffen, dass der Gast mehr Zeit mitbringt. Ich glaube das ist ein großer Unterschied zwischen einem Schnellrestaurant und der gehobenen Küche. Der Genuss ist nicht zweitrangig. Die Menschen, die essen kommen, bringen dann wirklich zwei oder drei Stunden mit und das ist das Wichtige. Der Gast kann die Zeit, die wir hinten einsetzen und die der Bauer schon eingesetzt hat, mitnehmen und würdigen.
Was bedeutet der Leitfaden „Kochen ist Kunst“ für Sie?
Dass man sich Gedanken darüber macht, was auf den Teller kommt und es nicht um Schnelligkeit geht, sondern um unser Handwerk und unsere Kunst, die wir präsentieren möchten. Die Person draußen soll den „Aha-Effekt“ haben und das versuchen wir über Kleinigkeiten zu erreichen. Zu Beispiel den Gast kurz aus dem Gespräch reißen, um ihn auf das Essen zu fokussieren, sodass er es wahrnimmt und sieht, dass es anders ist, als bei sich zu Hause.
Zum Abschluss unsere obligatorische Kiss & Tell Frage: Wo ist Ihr Lieblingsort in Leipzig? Haben Sie einen Geheimtipp?
Mein Lieblingsort ist zu Hause bei meinen Mädels. Ich bin auch gern in den Leipziger Wäldern unterwegs. Direkt hinter unserer Wohnung ist ein kleiner Park, wo ich sehr gern bin, auch durch die Kinder. Und die Gerüche, die gerade zu finden sind, der Jasmin oder der Sommerholunder, sind einfach traumhaft.
Nach unserem Gespräch durften wir noch einen Blick hinter die Kulissen werfen und uns in der Küche umschauen, in der schon fleißig das Abendgeschäft vorbereitet wurde. Als Kostprobe naschten wir eine frisch eingelegte Rumpraline – sehr lecker! Vielen Dank für das interessante Interview und den spannenden Einblick!
Vielen Dank an Marcus Mlynek für die Bilder!