Eins vorweg: Selbständig sein und schwanger werden – das funktioniert ganz wunderbar! Ich habe gerade mal sieben Wochen dafür gebraucht. Sieben Wochen zwischen einem kuscheligen Abend, an dem Paul und ich im Strandkorb an der Ostsee zum ersten Mal über Kinder gesprochen haben, und meinem Eisprung, der uns angesichts schwindelerregend hoher Julitemperaturen irgendwie gedanklich verloren ging.
Ein paar Tage später frühstücken wir im Garten. Es gibt Erdbeeren. Die Sonne scheint. Die Vögel piepsen glücklich. Wir lassen uns Zeit. Dass es gerade mitten in der Woche ist, stört uns nicht. Schließlich sind wir beide selbständig und können unseren Alltag frei gestalten. Ich als Texterin und Fotografin und Paul als Architekt. Doch seit einigen Tagen spüre ich, dass das vielleicht nicht für immer so bleibt. Mein Körper lässt mich im Stich. Meine Periode kam doch immer ganz, ganz pünktlich. Jetzt bleibt sie plötzlich aus. Ich verschwinde kurz im Bad. Ein Schwangerschaftstest – zwei blaue Streifen. Ich bin schockiert und freue mich trotzdem wie verrückt: „Paul, ich glaube, wir werden Eltern.“
„Obwohl das kleine Wesen in meinem Bauch noch ganz winzig ist, fühle ich mich sofort total schwanger.“
Gleichzeitig weiß ich, dass ich gerade jetzt nicht nachlassen darf. Beruflich ist es mein erfolgreichstes Jahr. Ich bin ständig unterwegs, besuche Veranstaltungen, fotografiere, führe Interviews und schreibe. Nicht nur in den Wochen, sondern oft auch am Wochenende. Die Arbeit macht mir Spaß. Ich verdiene richtig gut. Vor allem aber genieße ich mein schönes, freies, unbeschwertes Leben. Und ich möchte, dass das so bleibt. So sehr ich mich auf das Baby freue. Gleichzeitig weiß ich längst, wie unrealistisch dieser Gedanke ist. „In Deutschland verdienen Mütter zehn Jahre nach der Geburt des ersten Kindes im Schnitt 61 Prozent weniger als im letzten Jahr vor der Geburt! Bei Vätern gibt es diesen Effekt nicht“, berichtete der Ökonomie-Professor Josef Zweimüller im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. 61 Prozent! Verdammt, das ist echt bitter.
Wie viele Frauen meiner Generation hatte ich früher geglaubt, Genderfragen betreffen mich nicht. Ich bin überall gut durchgekommen, wurde gefördert und gelobt. Ganz unabhängig von meinem Geschlecht. Ich war fleißig, fachlich gut und habe viel genetzwerkt, weil Vitamin B bekanntlich auch wichtig ist. Aber es kam, wie es kommen musste. In den nächsten Monaten sollte ich lernen, was es bedeutet, eine Frau zu sein. Sowohl negativ als auch positiv. Denn tatsächlich habe ich meine Schwangerschaft sehr genossen. Zu wissen, dass ein kleines Wesen in mir heranwächst, war einfach das Größte. Mama zu werden hat mein Leben mit einer unglaublichen Wärme und Tiefe erfüllt. Wenn ich morgens eingekuschelt zwischen meinem Freund und meinem Baby aufwache, weiß ich, dass ich glücklich bin. Dazu aber ein andermal mehr.
In beruflicher Hinsicht hat mich die Situation wirklich ins Schlingern gebracht. Schon in den ersten Wochen der Schwangerschaft mischte sich mein Ehrgeiz mit bleierner Müdigkeit. Die Hormonumstellung! Ich hielt mich tapfer und nahm weiter alle Termine wahr. Irgendwie hatte ich das Gefühl, beweisen zu müssen: Ich schaffe das alles genauso wie früher. Dass ich ein Baby bekomme, hat keinen Einfluss auf die Qualität meiner Arbeit und meine Zuverlässigkeit! Schließlich wollte ich nicht, dass meine Kunden sich jemand anderes für ihre Texte und Bilder suchen. Ich wollte Sicherheit und Unabhängigkeit.
„Ich wollte meine Freiheit und meinen Lebensstandard nicht verlieren.“
So viel zur Theorie. Ganz praktisch nahm das Baby in meinem Bauch schon in den ersten Monaten immer mehr Platz in meinem Leben ein. Wie jede Mama machte ich mir Sorgen. Ist mein Alltag für den Kleinen ok? Oder sollte ich besser auf dem Sofa liegen? Meine Frauenärztin machte mir Mut: Ein aktives Leben mit viel Bewegung tut gesunden Schwangeren und Babys gut! Und tatsächlich, mit der Zeit gewöhnte ich mich an die neue Situation. Ab dem 4. Monat ging es mir richtig gut. Ich war voller Energie. Die Vorbereitungen auf den kleinen Knirps, aber auch meine Erfolge im Job erfüllten mich mit Glücksgefühlen.
Fröhlich teilte ich meinen Kunden mit, dass ich schwanger bin – aber alles ungefähr beim Alten bleibt. Ich würde bis zum Mutterschutz kurz vor der Geburt arbeiten und wäre nach der Entbindung bald wieder einsatzbereit. Also nur eine klitzekleine Pause von wenigen Wochen. Alles machbar – gar kein Problem! Dass sich das nicht jeder vorstellen konnte, wundert mich im Nachhinein kaum. Denn der Bauch wuchs ja weiter und nahm immer mehr Platz zwischen mir und meinem Computer ein.
„Und probiert mal ein Fotoshooting zu machen, wenn ihr fast so rund seid wie hoch!“
Das funktioniert nur, wenn man einen so lieben Freund hat wie Paul. Gegen Ende der Schwangerschaft war er immer dabei, stützte mich und hielt meine Objektive. Als ich kurz vor dem Mutterschutz mein letztes Interview führte, übte mein Körper sogar schon für die Geburt. Immer wieder spürte ich, wie sich mein Bauch zusammenzog. Das sind Übungswehen, erklärte meine Frauenärztin. Keine Sorge, das ist normal!
Meine Pläne schienen also aufzugehen. Fast zumindest. Ich schaffte alle Aufgaben und Deadlines. Niemand war von mir enttäuscht. Das Baby entwickelte sich perfekt. Wir freuten uns und hatten viel zu tun mit Arztbesuchen und dem Umbau unserer Wohnung. Nur für Networking und Eigenwerbung reichte meine Kraft einfach nicht. So musste ich mich schon in der Schwangerschaft auf meinen bestehenden Kundenkreis verlassen. Und auch dieser reduzierte sich langsam, aber sicher. Ob das daran lag, dass man mir als werdende Mami weniger zutrauen oder zumuten wollte, kann ich bis heute nicht sagen.
So wurde es – zumindest in beruflicher Hinsicht – ruhig in meinem Leben. Und diese Ruhe hielt auch nach der Geburt weiter an. Paul und ich teilten uns die Elternzeit ein. In den Pausen arbeitete ich ab, was von alleine reinkam. Doch die Zukunft war plötzlich ungewiss. Mir war klar, ich müsste mich dringend um neue Aufträge kümmern. Nur wo zwischen Stillen, Wickeln und Schreibtisch noch die Zeit dafür nehmen? Von meinem leichtfüßigen Lebensstil blieb auch nicht viel über. Paul mahnte zur Sparsamkeit: Selbstgekochtes statt Sushi. Shoppen nur bei dm. Urlaub einmal im Jahr!
„Baby da, Karriere futsch“ klagte ich Franzi – nicht ganz ohne Selbstmitleid.
Werde ich jetzt etwa doch eine der 61-Prozent-Frauen? Ist das das Mami-Fuckup, vor dem ich mich gefürchtet hatte?
Wenige Wochen später erhalte ich einen Anruf. Ein alter Bekannter fragt mich, ob ich mich nicht für ein großes Projekt bewerben will, das direkt nach meiner Elternzeit beginnt. Ich bleibe ganz cool und hüpfe innerlich im Kreis. Vielleicht zahlt sich der Fleiß der letzten Jahre am Ende ja doch ein bisschen aus?
Zumindest für dieses Jahr bin ich dem Mami-Fuckup definitiv entgangen. Als wenige Wochen später die Corona-Krise beginnt, gehöre ich zu den wenigen in meiner Branche, die sich überhaupt nicht beklagen können. Während die Welt draußen Kopf steht, ist mein Leben zumindest halbtags – fast wie früher. Nach der Arbeit schnappt Paul sich den Kleinen. Ich koche Tee und schreibe, schreibe, schreibe.
Und was sagt Papa Paul?
„Mami-Fuckup? Wir sollten lieber mal über mein Papi-Fuckup sprechen. Ich bin mit Anne schwanger geworden und habe immer noch 8 Kilo zu viel auf den Hüften. Statt einer Chaotin gibt es jetzt zwei Krümelmonster, hinter denen ich her putzen darf! Meine Probleme haben sich verdoppelt!“