Über Schnaps und Lebenskrisen
„Sarah, Sarah, wusstest du, dass ihr im Superbusen erwähnt seid?“, ploppte es neulich auf meinem Handybildschirm auf.
Meine Reaktion: „Ähhhhh, nope, wer oder was soll das sein?“
Einen Screenshot später wusste ich Bescheid. Beim „Superbusen“ handelt es sich u.a. um den Buchtitel des Debütromans der Autorin Paula Irmschler. Auf Seite 179 trinkt die Protagonistin in einer Leipziger Bar PFFF. WHOOP WHOOP, dieses Buch muss ich unbedingt lesen!
Wer es noch nicht wusste: PFFF ist der leckerste Pfefferminzlikör der Welt, stammt u.a. von mir und ja, es ist ein abgefahrenes Gefühl während des Lesens auf sein eigenes Herzensprojekt zu stoßen, abseits irgendwelcher Vitamin B Kontakte, die dazu geführt hätten! Aber erst mal genug vom Schnaps hin zum „Superbusen“.
Die Autorin Paula Irmschler wurde 1989 in Dresden geboren, hat fünf Jahre lang in Chemnitz gelebt und studiert und ist dann mit Sack und Pack nach Köln gezogen. Nach einer eigenen Kolumne im Musikmagazin Intro sowie diversen Artikeln für Musikexpress, Jolie und Co. schreibt sie seit 2018 als Redakteurin für das Satiremagazin TITANIC. High Five, würde ich mal sagen!
„Das Studium läuft schleppend, die Beziehung suboptimal und das Thema Selbstliebe zählt auch nicht gerade zu Giselas Spezialgebieten.“
Ihr Roman „Superbusen“ spielt zum Großteil in Chemnitz, setzt im Zeitraum der #wirsindmehr Aktionen gegen rechte Gewalt ein und dreht sich um das Leben der Hauptfigur Gisela. Gisela ist Anfang Zwanzig, studiert mehr oder wenig erfolgreich in der Stadt der Moderne (diesen Titel hat sich Chemnitz selbst gegeben), steht auf Kriegsfuß mit ihrer Heimatstadt Dresden, engagiert sich mit ihrem Freundeskreis auf Demos gegen Nazis und befindet sich in den meisten Bereichen ihres Lebens im Krisenmodus. Das Studium läuft schleppend, die Beziehung suboptimal und das Thema Selbstliebe zählt auch nicht gerade zu Giselas Spezialgebieten.
„Es geht ums Erwachsenwerden, ums Erinnern, um die Suche nach seinem Platz im Leben, um Menschen, die einen über kurz oder lang begleiten, ums Gehen oder Bleiben, auch wenn es schwierig wird.“
Zum Glück hat sie einen Haufen cooler Freundinnen um sich herum, die ihr dabei helfen sich durch diese Krisen zu manövrieren. Zwischen den Zeilen geht es um noch einiges mehr. Es geht ums Erwachsenwerden, ums Erinnern, um die Suche nach seinem Platz im Leben, um Menschen, die einen über kurz oder lang begleiten, ums Gehen oder Bleiben, auch wenn es schwierig wird. Ein Gedanke blieb mir während des Lesens besonders im Gedächtnis. Gisela denkt darüber nach, ob sie in Chemnitz bleiben oder der Stadt den Rücken kehren soll und sinniert: „Es war doch eine größtenteils ganz gute Zeit hier, und es dürfen nicht alle abhauen, sonst gewinnen die Arschlöcher.“ Vielleicht kommt ihr ja auch aus einer Stadt mit Schwächen. Ich selbst stamme aus der östlichsten Stadt Deutschlands, aus Görlitz. Ich kann mich noch gut daran erinnern wie es war als Jugendliche vor halbstarken Nazis wegzurennen, darauf zu warten, dass die Polizei zu Hilfe kommt, aber nicht auftaucht. Görlitz ist jüngst kurz vor knapp an einem AFD Oberbürgermeister vorbei geschrammt. Aber ja, es ist sehr einfach sich ein Urteil aus der Ferne zu erlauben. Ich weiß, dass die Stadt viele wunderbare Facetten und ein großartiges bürgerliches Engagement zu bieten hat. Ich bin dankbar für jeden, der der Stadt nicht den Rücken zugekehrt hat, sondern weiterhin zur Vielfalt vor Ort beiträgt. Das geht es Chemnitz und einigen anderen Städten wohl ähnlich.
Der Roman lässt sich auf jeden Fall gut und leicht weg lesen, auch wenn ich persönlich das Gefühl hatte der Lebensphase der Protagonistin bereits um ein paar Jahre entwachsen zu sein.
Ich empfehle das Buch allen, die Lust auf ein paar Flashbacks aus ihrer Studienzeit haben, allen, die selbst in ihrer ersten „Mitte Zwanzig Wachstums Krise“ stecken und allen, die ein bisschen mehr übers Leben in Chemnitz erfahren möchten. Um meine Freundin Wanda zu zitieren: „Ist als wäre ich zurück im Studium, richtig krasse Erinnerungen, die da wieder präsent werden!“.
Vielen Dank an den Ullstein Buchverlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.