Wer sich als Vater weiterbilden will, merkt schnell, dass Frauen Kurse und YouTube Videos dominieren. Männliche Vorbilder gibt es wenige. Doch die brauchen wir nicht wegen ihres Fachwissens.
Es war ein Mittwochmorgen, den ich gemeinsam mit meiner 10-Monate alten Tochter verbrachte, an dem mir auffiel: ich bin gelangweilt und sie ist es auch. Alle Spielsachen auf dem Boden haben wir bereits dutzendfach neu arrangiert, aufeinandergestapelt und wieder zerworfen. Also tat ich, was alle Eltern in diesem Moment tun würden: ich zückte mein Handy.
Dort googelte ich nach Spielen mit Babys und wurde auch problemlos fündig. Die Tipps waren alle hilfreich und zeigten mir: mit meinem Baby zu spielen, ist mehr als nur ein Zeitvertreib, es ist so etwas wie eine pädagogische Maßnahme.
Während ich mein Baby also ganz nach Montessori-Philosophie einfach weitermachen ließ, schaute ich immer mehr Videos und dabei fiel mir auf: Es gibt hier keinen einzigen Papa.
Wo sind sie denn nun, all die modernen Väter, die ihr Kind von der Kita abholen, Podcasts aufnehmen und Blogartikel schreiben?
Ist das Ganze also doch nur eine Luftnummer für die Öffentlichkeit? Während moderne Papas sich also gern mit ihrem Kind zeigen und entsprechend vermarkten, haben Mamas noch immer das Privileg, Babys zu Hause zu umsorgen. In den vorherigen Beiträgen aus meiner Kolumne habe ich immer wieder beschrieben, wie die Zahlen diese Annahme stützen. Stichwort Elternzeit:
„Das machen heute schon einige Männer, aber wenn, dann zu wenige (25 Prozent in 2020) und zu kurz (im Schnitt 3,7 Monate).“
Darum brauchen wir mehr Dads, die sich auf YouTube trauen
Die Videos und Tipps der Mamas sind alle wirklich gut, keine Frage. Das ist aber auch schon Teil des Problems. Die Videos verhärten den Eindruck, dass nur Mamas wirklich wissen, wie das alles geht. Ein möglicher Effekt:
Weniger Väter trauen sich das alles überhaupt zu, die Kompetenz und damit die Zuständigkeit bleibt weiter bei Frauen.
Ein stärkeres Auftreten bei der Erziehung von Babys und Kleinkindern durch Väter könnte nicht nur Mütter entlasten. Auch Babys könnten von der ganzen Sache profitieren. Wir müssen dafür gar nicht erst Geschlechterklischees aufmachen, dass Männer angeblich besser wären, die „Welt da draußen“ zu zeigen oder Technik besser erklären zu können. Der Bindungsforscher Karl-Heinz Brisch sagt jedenfalls, dass viele dieser Stereotypen längst der Vergangenheit angehören, und Frauen manchmal mehr von Dampfloks verstehen, Väter dafür vielleicht mal den Teig schneller anrühren können. Aber egal wie die Eltern jetzt drauf sind: eine zusätzliche Bezugsperson ist auf jeden Fall eine gute Idee.
Ich bin mir sicher, dass es sie gibt. Die Dads, die Zeit mit ihren Kleinen verbringen und ihnen zeigen, wie man sich die Zähne putzt oder sich auf dem Boden hin- und her rollt. Und tatsächlich wurde auch ich irgendwann auf YouTube fündig. Ein neuseeländischer Vater zeigt in seinem Kanal auf eine wunderbare Art und Weise, wie das Format Babyvideo neu gedacht werden könnte:
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Der Druck, unter dem viele Frauen stehen, als Mutter zu performen, er ist bei Vätern gering bis gar nicht vorhanden.
Jeder Vater kennt das, der sich auch nur einmal in der Öffentlichkeit mit einem Baby zeigt. Ein paar anerkennende Blicke von Großmüttern auf der Straße später darf sich jeder einmal wie ein kleiner Held fühlen. Aus diesen niedrigen Erwartungen heraus entsteht aber ein Ort voller Freiheiten für Väter: Sie können Typen wie Jordan Watson (der aus dem YouTube Video) mit ihrem eigenen Humor unterhaltsame Clips erstellen, die Inhalte viel moderner präsentieren.
Und das macht einfach mehr Spaß als viele der Mom-Videos, bei denen oft mehr Wert auf eine akkurate und pädagogisch ausgewogene Informationsvermittlung gelegt wird. Die youtubenden Mütter wissen schließlich, dass bei ihnen sonst die Kommentarspalten mit beißender Kritik überlaufen würden. Watson dagegen kann sich auf wohlwolle Kommentare seiner 1,3 Millionen Follower bei YouTube verlassen: „Habe noch nie ein Baby mit so ‚nem guten Timing für Comedy gesehen.“ schreibt mousy677.
Und dafür hat er kein einziges Montessori-Buch lesen müssen. Alles was dafür nötig war: Zeit mit seinem Kind zu verbringen.