Welche Bilder kommen euch in den Kopf, wenn ihr an Sommer denkt? Bei mir ist es das plantschen im Freibad, der Geruch nach süßen Erdbeeren und Wassermelone, deren Saft mir an den Mundwinkeln herunterläuft, Sonnenmilch auf meiner Haut, mit dem Rad durch Sommerwiesen zu fahren in denen es brummt und summt und natürlich ein Buch, welches zu dieser schönen Jahreszeit passt.
In meiner sommerlichen Buchkolumne möchte ich euch meine vier Bücher-Sommer-Highlights vorstellen, in denen es ganz schön prickelt, Familienbeziehungen aufgerollt und Geschlechterrollen in Frage gestellt werden.
Malnata von Beatrice Salvioni – Für mich DER Überraschungserfolg des Jahres
„Ernesto sagte immer: „Worte sind keine Kleinigkeit, Maddalena. Man darf sie nicht einfach gedankenlos dahinsagen. Dann werden sie gefährlich.“ Und er hat recht. Aber sie können auch etwas bewirken. Meinst du nicht?“ Zum Glück hält sich Beatrice Salvioni an ihre Romanfiguren und hat mit „Malnata“ einen Roman geschaffen, der nicht nur feministische Inhalte hat und mit Geschlechterrollen bricht, sondern ganz nebenher auch noch Antikriegsliteratur und Kolonialkritik ist. Und das auf eine faszinierende Art und Weise!
Im heißen Sommer des Jahres 1935 lernen sich Francesca und Maddalena in einem Ort in der italienischen Lombardei kennen. Sie stammen nicht nur aus unterschiedlichen Familien, die eine aus einer gutbürgerlichen, die andere aus einer armen Arbeiterfamilie, sondern könnten auch nicht unterschiedlich vom Charakter sein. Maddalena trotzt den gesellschaftlichen Erwartungen an sie und sieht nicht ein, weshalb sie nicht mit Jungs spielen und im Fluss baden darf. Die zur Konformität erzogene Francesca ist sofort von ihr fasziniert und es entsteht eine aufregende Freundschaft zwischen den beiden Mädchen. Eingebettet in den Aufschwung des Faschismus und den Kolonialkriegen Italiens, haben die zwei ihre ganz eigenen Kämpfe auszutragen, insbesondere in einer Welt, die es nicht schätzt, wenn Mädchen und Frauen die Grenzen des Möglichen verschieben.
Alles immer wegen damals von Paula Irmschler – Ein herrlich ironischer und ehrlicher Familienroman
Endlich ist Paula Irmschler mit einem Roman zurück und dass passenderweise auch noch für die Ferienzeit. Denn auch in diesem Buch wird – nun ja – gereist. Nach „Superbusen“ halten wir mit „Alles immer wegen damals“ wieder einen Roman in der Hand, der Ost-West-Dynamiken behandelt und insbesondere junge Menschen in ihrer Quarterlife-Crisis ansprechen dürfte und das mit der gewohnten Ironie und Ehrlichkeit, die der Autorin so zu eigen ist.
Karla hat den Kontakt zu ihrer Mutter abgebrochen und mit ihrem Umzug von Leipzig nach Köln auch noch ordentlich Distanz zwischen die beiden gebracht. Jedoch läuft es bei Karla alles andere als rund. Sie kommt nicht richtig in die Ausbildung, hat Schwierigkeiten die Miete zu bezahlen und halbwegs Ordnung zu halten und an manchen Tagen schafft sie es kaum aus dem Haus. Dabei hilft es auch nicht, dass ihre Geschwister ihrer Mutter und ihr eine Reise nach Hamburg schenken. Oder ist dies vielleicht doch der Beginn einer zarten Annährung?
Erzählt aus der Perspektive Karlas und ihrer Mutter, erleben wir als LeserInnen gleich die Gefühlswelt zweier Frauen, deren Biografien unterschiedlich und doch auch ähnlich sind. Ein spannender Roman, welcher unterhält und zum Nachdenken anregt.
Experienced. Die Liebe bietet unbegrenzte Möglichkeiten von Kate Young – Daten was das Zeug hält
Was wäre der Sommer ohne prickelnde Leidenschaft, unerfüllte Liebe und ein wenig Experimentierfreude?! Bette hatte ihr Coming-out erst spät und scheint mit Mei auch gleich die große Liebe gefunden zu haben. Mei ist jedoch der Meinung, dass Bette sich erstmal ausprobieren soll, bevor sie eine ernste Beziehung führen kann. Davon ist Bette gar nicht begeistert, lässt sich aber auf das Experiment ein: Drei Monate lang ganz unverbindlich in der queeren Dating Szene abtauchen und sich ausprobieren. Dass das nicht ganz unkompliziert wird, kann man sich schon auf den ersten Seiten denken. Vor allem, als die super coole Ruth auftaucht und Bette unter ihre Fittiche nimmt.
„Experienced“ ist ein Roman, bei dem die Seiten nur so purzeln. Eine unterhaltsame Lektüre für laue Sommernächte oder heiße Tage am Strand, die seicht ist, ohne an Tiefgang vermissen zu lassen. Und vielleicht kann man sich heimlich auch ein bisschen freuen, das Bette für uns Erfahrungen macht, die wir nicht wiederholen müssen.
Die Sache mit Rachel von Caroline O’Donoghue – Wer wollen wir sein und wie wollen wir lieben?
Wer liebt sie nicht? Coming-of-Age Geschichten aus der Uni. Genau solch einen Roman hat die irische Autorin Caroline O’Donoghu mit „Die Sache mit Rachel“ geschaffen. James und Rachel jobben beide in einer Buchhandlung und erleben eine „Freundschaft auf den ersten Blick“. Sofort lädt James die junge Studentin ein, zu sich zu ziehen. Rachel ist fasziniert von James und kann sich ein Leben ohne seinen Rat bald nicht mehr vorstellen. Gemeinsam planen die beiden eine Lesung in der Buchhandlung, wo Rachel – so der Plan – ihren Literaturprofessor Dr. Fred Byrne verführen soll, in den sie heimlich verknallt ist. Nur kommt alles ganz anders als geplant und wird das Leben der beiden auf den Kopf stellen.
Was hier nach einem Schnulliroman klingen mag, ist durchaus eine spannende und fesselnde Lektüre, in der die Autorin immer wieder mit inspirierenden Sätzen verzaubert. So schreibt sie an einer Stelle entwaffnend: „Es gibt einen bestimmten Persönlichkeitstyp, der nach der Idee seines eignen Intellekts süchtig ist. Das sind die, die behaupten, die Wendung im Film schon vorhergesehen zu haben; die immer schon geahnt haben, dass das nun in Scheidung lebende Paar unglücklich war, oder auf die die weibliche Berühmtheit stets verrückt gewirkt hat. Es sind auch die Leute, die immer schon wussten, dass jemand schwul ist und die es nicht lassen können, darüber zu reden.“ Absolute Leseempfehlung!