Sabrina Haufe aus Leipzig hat das erlebt, wovor ich Angst hatte, seit ich 17 war. Damals hatte meine Mama Brustkrebs mit 42 Jahren. Und meine Oma ebenfalls mit 72. Die beiden lagen sogar zusammen in einem Zimmer im Krankenhaus.
Heute weiß ich: Ich habe ganz dolle Glück gehabt, nicht nur weil die beiden den Krebs besiegt haben und immer noch Teil meines Lebens sind, sondern auch, weil ich selbst nicht die zwei Chromosomen-Defekte geerbt habe, wegen der so viele Frauen in meiner Familie an Brustkrebs erkranken. Aber ganz sicher kann man sich eben nie sein.
Das Thema nicht zu verdrängen, sondern mit euch darüber zu sprechen, ist mir deshalb eine Herzensangelegenheit.
Und ich bin froh und dankbar, dass Sabrina, die 2020 mit nur 31 Jahren selbst an Brustkrebs erkrankt ist, bereit war, hier bei uns im LAYERS mag offen zu erzählen, wie sie ihren Krebs selbst entdeckt und überstanden hat.
Wer Sabrina und mich privat kennt, weiß, dass uns eine besondere Geschichte verbindet. Sabrina war direkt vor mir viele Jahre mit dem Papa meines Kindes zusammen. Während ich 2020 mit meinem kleinen Babydino beschäftigt war, bekam sie die Diagnose, die ihr ganzes Leben auf den Kopf stellte. Gerade durch die Vorgeschichte meiner eigenen Familie ließ mich das natürlich nicht kalt.
Als Sabrina vor ein paar Wochen nach einem neuen Artikel im LAYERS mag erstmalig Kontakt zu mir aufgenommen hat, habe ich mich sehr gefreut. Wir haben sofort eine schöne, persönliche Ebene miteinander gefunden und ich wusste: Ich muss sie fragen, ob wir auch über das Thema Brustkrebs sprechen können.
Sabrina, ich glaube, es ist eine ganz menschliche Eigenheit, dass wir immer denken und hoffen, die schlimmen Sachen passieren nur den anderen. Warst du innerlich irgendwie darauf vorbereitet, dass du mal Brustkrebs bekommen könntest?
Nein, das war für mich überhaupt nicht präsent. Ich dachte, dieses Thema betrifft, wenn überhaupt, nur ältere Frauen. Die Vorsorge mit Mammographie beginnt normalerweise ja auch erst mit etwa 50 Jahren. Allerdings habe ich zwei Wochen vor meiner Diagnose erstmals eine jüngere Frau kennengelernt, die Brustkrebs hatte. Das war die Lehrerin in einem Yoga-Retreat, das ich damals besuchte. Ich weiß nicht, ob das Zufall oder Schicksal war, aber so hatte ich direkt jemanden, den ich gleich fragen konnte, als es mich erwischte.
Hast du damals irgendwie gespürt, dass du krank bist?
Im Gegenteil, ich war gerade aus dem Yoga-Retreat zurück. Ich habe mich gesund und entspannt gefühlt.
Das ist auch das Tückische an dieser Krankheit, man fühlt sich erst ab dem Moment der Diagnose krank.
Den Tumor habe ich entdeckt, weil er so saß, dass man ihn sehen konnte. Ich habe in den Spiegel geschaut, mich gewundert und dann auch ertastet, dass da etwas ist, das ich schnell abchecken lassen sollte.
Kannst du dich noch an den Tag erinnern, an dem du deine Diagnose bekommen hast?
Ja, das war der 1. Oktober 2020, zufällig der Weltbrustkrebstag. Dem Tag der Diagnose waren allerdings schon einige Untersuchungen vorausgegangen. Meine Frauenärztin hatte mich direkt an eine radiologische Praxis überwiesen, wo Mammographie, Ultraschall und eine Biopsie vorgenommen wurden, bei der Gewebe aus dem Tumor entnommen wurde. Danach stand fest: Es ist Krebs.
Was war dein erster Gedanke? Hattest du Angst zu sterben?
Tatsächlich war mein erster Gedanke ganz banal: Ich werde meine langen Haare verlieren. Als es später wirklich soweit war, hat mich das natürlich überhaupt nicht mehr tangiert.
Angst vorm Tod hatte ich während der ganzen Zeit nicht. Meine Frauenärztin meinte gleich: „Wir stehen das durch, Sie werden wieder gesund.“
Und irgendwie war ich davon dann auch felsenfest überzeugt.
Was passierte danach?
Etwa vier Wochen nach der Diagnose startete meine Chemotherapie. Das war tatsächlich super schnell. Gerade bei jungen Frauen ist Brustkrebs oft sehr aggressiv. Da können wenige Wochen entscheidend sein. Erst nach der Chemotherapie sollte der Tumor operativ entfernt werden. Ziel war es, dass er bis dahin soweit wie möglich schrumpft.
Wie hat sich die Chemo angefühlt?
Das war eine tagesfüllende Prozedur und keineswegs ein Spaziergang. Ich bin morgens um 8 Uhr in die Klinik gekommen und habe bis 14 Uhr Infusionen erhalten. Vorher gab es schon Tabletten, damit einem nicht übel wird. Ich sollte sechs Zyklen innerhalb von vier Monaten bekommen, also jeweils im Abstand von drei Wochen eine Chemo.
In den ersten eineinhalb Wochen nach den Infusionen ging es mir jedes Mal schlecht. Es ist ganz gut, sich gar nicht erst durchzulesen, zu welchen ganzen Nebenwirkungen es kommen kann. Der Körper überrascht einen quasi jeden Tag mit einer neuen Nebenwirkung.
Nach wenigen Tagen haben meine Haare begonnen auszufallen. Es hat sich für mich richtig angefühlt, das Problem selbst in die Hand zu nehmen und sie abzurasieren. Ich habe meine Haare übrigens gespendet, damit daraus eine Echthaar-Perücke für andere Betroffene gefertigt werden konnte.
Da ich in der Corona-Zeit Krebs hatte, musste ich besonders vorsichtig sein. Im Krankenhaus durfte ich keinen Besuch bekommen. So allein zu sein, war eigentlich das Schlimmste.
Was hat dir in dieser Zeit Kraft gegeben?
Ich wurde wirklich sehr gut von meiner Familie aufgefangen und unterstützt. Meine Freundinnen waren für mich da.
Ich erinnere mich an viele schöne Momente, z. B. eine kleine Weihnachtsfeier zu Zweit – mit Plätzchen und Abstand auf einer Parkbank.
Zudem habe ich bei der Chemo eine neue Freundin gefunden, mit der ich die schwere Zeit gemeinsam durchgestanden habe. Auch meine Frauenärztin und die tollen Ärztinnen und Ärzte im Leipziger St. Elisabeth Krankenhaus haben mir damals mental sehr geholfen. Wir haben gemeinsam so viel gelacht! Generell bin ich ein sehr optimistischer Mensch und das hat mich über diese Zeit getragen.
Wie schwach warst du, als es dir am allerschlechtesten ging?
Wenn du eine Chemotherapie bekommst, baust du schon schnell ab. Man hat keinen Appetit. Die Muskeln lassen nach. Treppensteigen wird immer schwerer. Was ich aber durchgezogen habe, war, jeden Tag eine Stunde spazieren zu gehen.
Wann ging es für dich wieder aufwärts?
Nach der Chemotherapie habe ich damals direkt Corona bekommen. Dadurch verzögerte sich meine Operation. Als ich die OP schließlich geschafft hatte, war der Tumor erstmal weg. Ich hatte großes Glück, dass er nicht gestreut hat, denn sonst wären die Überlebenschancen viel schlechter gewesen. Nach der OP musste ich noch eine Bestrahlung machen. Schon in dieser Phase kam der Appetit wieder zurück und ich schaffte jeden Tag ein etwas längeres Stück bei meinem Spaziergang. Auch meine Haare fingen wieder an zu wachsen.
Ich musste aber erst wieder lernen, Vertrauen in meinen Körper zu haben.
Ich meine, ich hatte Krebs – ohne dass ich das gespürt habe. Zudem musste ich auch erstmal schauen, was ich meinem Körper wieder zumuten kann.
Hast du seit deiner Krebserkrankung etwas in deinem Lebensstil verändert? Meine Mama verzichtet seit sie Krebs hatte z.B. konsequent auf Kuhmilch und trinkt viel grünen Tee.
Ja, ich ernähre mich viel bewusster und vorwiegend pflanzlich. Ich versuche möglichst auf Kuhmilch und Sojaprodukte zu verzichten, da sie Östrogene bzw. Östrogen-ähnliche Stoffe enthalten. Die Forschungsergebnisse sind hier zwar nicht ganz eindeutig, aber da ich einen hormonabhängigen Tumor hatte, gehe ich lieber den sicheren Weg. Auch Kosmetika und Pflegeprodukte können hormonell wirksame Schadstoffe enthalten. Mit der App CodeCheck kann man die Inhaltsstoffe ganz leicht überprüfen.
Außerdem habe ich mir eine „Life-is-for-Living“-Liste gemacht, mit Dingen, die ich unbedingt erleben will.
Einiges davon habe ich schon geschafft: Ich bin allein nach Frankreich gereist und habe surfen gelernt. Im Frühjahr war ich in London in den Harry-Potter-Studios. Und ich habe Yoga mit Alpakas gemacht.
Zudem habe ich Schattenarbeit betrieben, das heißt, ich habe mich mit meinen Ängsten und Schwächen auseinandergesetzt. Ich bin mir sicher, dass die Psyche bei meiner Erkrankung eine Rolle gespielt hat.
Von dem, was ich aus Erzählungen damals von dir gehört habe, hatte ich den Eindruck, du hast vieles besser hingekriegt als ich. Ich habe mir vorgestellt, dass du jemand bist, der recht perfektionistisch ist, sich selbst unter Kontrolle hat und „funktioniert“.
Ja, ich habe immer versucht, zuerst die Bedürfnisse anderer zu erfüllen und meine eigenen hintenangestellt. Heute priorisiere ich mich. Ich muss erstmal für mich sorgen, bevor ich mich um andere kümmern kann. Und ich weiß das Leben und meine Gesundheit heute viel mehr zu schätzen.
Wann bist du ins Berufsleben zurückgekehrt und hast du deinem Arbeitgeber gesagt, was los war?
Ich bin nach eineinhalb Jahren ins Berufsleben zurückgekehrt und war damit transparent. Das muss aber jede Frau für sich selbst entscheiden. Denn klar ist auch:
Wenn man Krebs hatte, ist man nicht mehr der gleiche Mensch wie vorher.
Im Alltag bedeutet das z.B., man ist nicht immer so belastbar. Man muss diverse Nachsorgeuntersuchungen wahrnehmen. Trotz meiner Erkrankung kann ich heute aber als Leiterin im Kundenservice von Posterlounge arbeiten und bin nach wie vor begeistert, wie verständnisvoll ich dort aufgenommen wurde.
Wow, das klingt wirklich beeindruckend und ermutigend. Sabrina, was würdest du anderen Frauen in unserem Alter in puncto Brustkrebsvorsorge empfehlen?
Wichtig ist, dass ihr euch selbst regelmäßig abtastet – am besten monatlich – und auf Auffälligkeiten achtet. Dazu zählen z.B. Knoten, Hautveränderungen oder auch Absonderungen aus der Brustwarze. Falls euch etwas auffällt, lasst es unbedingt von eurer Frauenärztin untersuchen. Je früher die Behandlung von Brustkrebs beginnt, desto besser sind auch die Heilungschancen. Falls es euch erwischt, tauscht euch unbedingt mit anderen Betroffenen aus!
Und wie sollte ich mich verhalten, wenn z.B. eine Freundin an Krebs erkrankt?
Vor allem solltest du die Person normal behandeln. Der Krebs sollte nicht das Thema sein, das immer alles überschattet. Ablenkung ist gut. Mitgefühl ist gut, aber kein Mitleid. Es sollte nicht so sein, dass diejenige die krank ist, die anderen trösten muss. Aber es gibt einfach Tage, an denen alles kacke ist und das muss auch ok sein. Generell sollten alle Emotionen ihren Raum haben: Traurigkeit, Wut, Angst, aber eben auch schöne Momente und Hoffnung.