Anne Schwerin über ihren Wanderurlaub in den Alpen
Tagelang durch die Wildnis laufen. In dunklen Höhlen schlafen und kalten Flüssen baden gehen. Und am Ende vielleicht sogar einem Wolf oder Bären begegnen. Eine verlockende Vorstellung! – Das findet zumindest mein Freund. Da ich vergleichsweise zart besaitet bin, sind wir beide in diesem Jahr auf große Wandertour gegangen – allerdings getrennt voneinander.
Während mein Liebster eine Reise in den Kaukasus plante, entschied ich mich für die Softie-Variante und meldete mich zu einer Alpenüberquerung für Alleinreisende an. Ganz ohne ist das auch nicht. Immerhin standen durchschnittlich 20 km Wanderung pro Tag bei 1000 Höhenmetern auf dem Programm. Aber ich würde mein Gepäck nicht selbst tragen müssen und könnte jeden Abend ganz gemütlich in ein warmes Hotelbett sinken.
„Während mein Liebster eine Reise in den Kaukasus plante, entschied ich mich für die Softie-Variante und meldete mich zu einer Alpenüberquerung für Alleinreisende an.“
Mitte September hieß es für uns Abschied nehmen. Von Leipzig aus ging es für meinen Freund Richtung Moskau und für mich nach Tirol. Da ich in den vergangenen Jahren so gut wie nie allein gereist bin, war ich doch ziemlich aufgeregt. Stehe ich das körperlich durch? Wie werden die anderen aus meiner Gruppe wohl sein? Und welche ungewohnten Situationen würde ich auf meiner Wanderung meistern müssen?
Zum Glück blieb mir gar nicht so viel Zeit, darüber nachzudenken. Schon bald hinter München tauchten die ersten Ausläufer der Alpen auf und wenige Stunden später spazierte ich bereits im schönsten Sonnenschein durch den gemütlichen Ski-Ort Lech.
„Auf so eine lange Wanderung zu gehen, bedeutet täglich Grenzen zu überschreiten.“
Nach einem kurzen Kennenlernen mit der Gruppe und unserem Bergführer starten wir zum Sound der Murmeltiere und Kuhglocken in unser Abenteuer. Zehn wunderschöne Tage lang wanderten wir auf schmalen Pfaden entlang malerischer Hänge und tosender Wasserfälle. Wir beobachteten die Tiere des Waldes, lernten Wildkräuter kennen und saßen abends in gemütlicher Runde zusammen.
Vierzehn sich bis dato völlig unbekannte Personen aus komplett verschiedenen Lebenswelten wurden währenddessen nicht nur gute Weggefährten, sondern zum Teil sogar Freunde. – In diesem Sinne hat die Reise nicht nur unseren Blick für diese herrlich melancholische Landschaft geweitet, sondern auch für unsere Mitmenschen und letztendlich uns selbst. Woran liegt das? Ich denke, es hat vor allem damit zu tun, dass auf so eine lange Wanderung zu gehen, bedeutet, täglich Grenzen zu überschreiten.
„Die Perfektion und Bequemlichkeit, die man im Alltag gern kultiviert, weichen viel schneller als gedacht ganz existenziellen Empfindungen: Dem Regen, der Kälte und dem Wind auf der Haut.“
Die Perfektion und Bequemlichkeit, die man im Alltag gern kultiviert, weichen dann viel schneller als gedacht ganz existenziellen Empfindungen: Dem Regen, der Kälte und dem Wind auf der Haut. Dem Auf und Ab des eignen Atems und dem Pochen des Herzens, während man sich auf den steilen Weg konzentriert. Den Schmerzen in den Füßen und Beinen, die unweigerlich irgendwann auftauchen und manchmal wieder gehen, wenn man sie einfach aushält. Dem wunderbaren Gefühl, angekommen zu sein – oder auch nur eine kleine Pause einzulegen und einen heißen Tee zu trinken.
Ihr seht schon, ich bin echt begeistert und würde am liebsten sofort wieder auf die Wandertour gehen. Auch wenn Ihr so wie ich eher sensibel veranlagt seid, kann ich Euch eine Alpenwanderung uneingeschränkt empfehlen. In meiner Gruppe waren wir alle keine großen Sportler, sondern einfach nur ganz normale fitte und halbwegs gesunde Menschen. Trotzdem haben wir ohne Ausnahme gut durchgehalten und am letzten Tag sogar 25 km auf uns genommen. Weil ich inzwischen weiß, dass dabei auch viel hätte schiefgehen können, hier noch ein paar Worte zu meinen wichtigsten Musthaves für die nächste Alpenwanderung:
Safety First: Wanderschuhe
Richtig gute, knöchelhohe Wanderschuhe sind auf schmalen Alpenpfaden einfach Pflicht – schon allein um Verletzungen vorzubeugen. Wichtig ist, dass Ihr sie rechtzeitig einlauft. Ich habe mit meinem Freund deshalb einige Wochen vorher einen Pärchenurlaub in der Sächsischen Schweiz verbracht. Zu Euren Schuhen solltet Ihr Euch im Outdoor-Laden Wandersöckchen kaufen, die Ihr während der Tour – Achtung – aber möglichst selten wechselt! Das klingt erstmal ein bisschen ungewohnt, ist aber sinnvoll, weil frisch gewaschene Socken viel schneller zu Blasen führen. Ein kleines abendliches Pflegeprogramm hilft, damit es zu keinerlei olfaktorischen Belästigungssituationen kommt. Mein Liebster, der mich am letzten Tag abgeholt hat und im Zweifelsfall der Hauptleidtragende wäre, wird Euch gern bestätigen, dass meine Füße nach wie vor in optimalem Zustand sind.
Mehr ist mehr: Funktionskleidung
Regenhose, Daunenjacke, Wollmütze – brauche ich sowas im September wirklich schon? Wie ungemütlich es in den Alpen auch im Spätsommer bereits werden kann, hatte ich ursprünglich unterschätzt. Wenn ich ganz ehrlich bin, sah ich mich sogar im leichten Sommerkleidchen über die Blumenwiesen hüpfen. Glücklicherweise wurde ich rechtzeitig seitens Freund und Mama eines Besseren belehrt. Und tatsächlich – bereits zehn Minuten nachdem wir beim Formarinsee bei Lech losgestapft waren, benötigte ich quasi alles, was ich überhaupt an regendichter Kleidung eingepackt hatte. Auch meine kuschelig warme Daunenjacke hätte ich an so manchem Morgen auf über 1.500 Meter echt nicht missen wollen.
Bei Schmerzen als Wanderbegleiter: Arnikasalbe
Liebe Mädels und Jungs, seid stark. Wenn Ihr nicht zu den absoluten Profisportlern gehört, werden Schmerzen auf jeder mehrtägigen Wanderung wahrscheinlich irgendwann Eure Begleiter. Ich hatte schon am zweiten Morgen ziemlich mit Muskelkater zu kämpfen. Die Aussicht, in den folgenden Stunden noch etwa 20 km weiter wandern zu müssen, macht es in solchen Momenten natürlich nicht leichter. Zum Glück hatte ich den Tipp von Steffi von Kiss & Tell beherzigt und vorsichtshalber Arnikasalbe eingepackt. Als ich diese am dritten Tag der Wanderung ausprobierte, spürte ich tatsächlich einen enormen Unterschied. Normale Bewegungsabläufe waren wieder ohne Zähnezusammenbeißen möglich! Gegen Ende der Reise hatte ich überhaupt keinen Muskelkater mehr.
Falls es Euch trotzdem mal drückt und zwickt, hilft nur Annehmen. Ich habe auf der Wanderung immer wieder gemerkt, wie ich gerade durch Schmerz und Anstrengung viel mehr im Moment, bei mir und meinem Körper war, anstatt über meine Arbeit oder Sorgen zu grübeln. Insofern hat das ganze also etwas Meditatives.
Zu Unrecht unterschätzt: Wanderstöcke
Wanderstöcke wollte ich ursprünglich eigentlich nicht mitnehmen. Ich ging davon aus, dass ich sie A nicht brauche und sie mich B stören werden, wenn ich sie immerzu mit mir herumschleppen muss. Dass ich sie trotzdem eingepackt hatte, weil im Gepäck genug Platz war, erwies sich als echter Glücksfall. Gerade wenn es hoch und runter geht, könnt Ihr Eure Beine durch Wanderstöcke enorm entlasten. Angesichts der bis zu 1.000 Höhenmeter, die wir täglich hinter uns brachten, war das eine riesige Erleichterung. Vielen Dank an dieser Stelle wiederum an Steffi von Kiss & Tell, die mir ihre Wanderstöcke ausgeliehen hat.
Immer dabei: Frische Snacks und ausreichend Wasser
Tatsächlich ergab sich in Tirol wesentlich seltener als erwartet die Gelegenheit, tagsüber einzukehren oder beim Bäcker etwas einzukaufen. Gerade in den höheren Lagen kann es schon recht einsam sein. Ich war deshalb froh, dass ich daran gedacht hatte, mir Brotzeittüten mitzunehmen und mir jeden Morgen ein kleines Lunchpaket zusammenstellen konnte. An den Tagen, an denen das Hotelfrühstück besonders lecker war und ich richtig gut gegessen hatte, fielen mir die langen Wanderungen tatsächlich leichter. Auf süße Snacks und Co. verzichtete ich hingegen weitesgehend. Ich wollte die Reise nämlich nebenbei nutzen, um ein bisschen schlanker und fitter zu werden. Hat funktioniert. Zumindest zwischenzeitlich.
Last but not least: Sympathische Begleiter
Das Spannendste daran, allein zu verreisen, sind natürlich die Menschen, denen man begegnet. Gleichzeitig ist es der Aspekt, den man am wenigsten unter Kontrolle hat. In meiner Gruppe haben wir uns wie gesagt sehr gut verstanden und unterstützt, waren aber trotzdem extrem unterschiedlich. Dass man eine Leidenschaft für die Natur und fürs Wandern teilt, heißt im Grunde gar nichts. Da sich das Reiseangebot auch an Singles richtete, kann ich mir vorstellen, dass der ein und andere davon ein wenig enttäuscht war. Andererseits ging es den meisten einfach darum, den Urlaub nicht allein zu verbringen und etwas Schönes zu erleben. Das ist auf jeden Fall gelungen! Ich habe meinen Liebsten trotzdem schmerzlich vermisst und freue mich schon darauf, Euch beim nächsten Mal wieder vom Abenteuer „Pärchenurlaub“ zu berichten.