Ich habe einen unsichtbaren Freund
Hey, ihr frisch verliebten Eltern und coolen Patchwork-Familien da draußen! Wie macht ihr das bloß? Während ihr knutscht und gemeinsam das Leben genießt, sitze ich auf meinem Sofa. An meiner Seite ein äußerst gutaussehender, charmanter und inzwischen auch ziemlich wortgewandter Dreijähriger. Der Mann meiner schlaflosen Nächte im ganz wortwörtlichen Sinne.
Inzwischen bin ich acht Monate getrennt. Zeit, um wieder nach vorne zu schauen!
Bumble sei Dank, weiß ich, dass die Blüte meiner Jahre anscheinend noch nicht vorüber ist.
„Du musst die Bezahlversion verwenden“ erklärt mir der etwas Dating-erfahrenere Papa meines Kindes.
Gesagt, getan. Seitdem steht mein Handy nicht mehr still. Ich weiß nicht, was ich falsch mache oder richtig, aber anscheinend habe ich sehr viele Verehrer. Ok, ich muss das relativieren. Nach der ersten Euphorie habe ich schnell gecheckt, dass ein Swipe auf Bumble erstmal gar nicht viel heißt. Rechts, rechts, rechts. Links. Rechts. – Männer bumbeln halt anders als Frauen. Und wenn ich dann einem von Tausend doch mal schreibe, kriege ich oft keine Antwort zurück.
Aber ich möchte mich nicht beschweren. Ein paar wenige Lichtblicke gab es schon.
Ich bin durch Weinberge spaziert, romantisch Ruderboot gefahren und habe Picknick im hohen Gras gemacht.
In einem Jahr, in dem ich das gar nicht mehr für mich erwartet habe.
Weiter komme ich meistens nicht. Das liegt keineswegs daran, dass ich nicht will. Oder dass ich mein Vertrauen in die Männerwelt völlig verloren habe. Auch an Flirt-Skills mangelt es nicht. Nein, mein Problem ist schlicht die Zeit.
Wie soll ich jemanden kennenlernen, wenn ich nur jedes zweite Wochenende und einen Tag pro Woche wirklich frei für mich habe? Meistens bin ich dann so erschöpft, dass ich mich nur noch verkriechen will. Und abgesehen davon gibt es ja auch noch andere Themen in meinem Leben: Familie, Freunde, kreative Projekte – und fast immer Arbeit, die liegen bleibt.
So stapeln sich die Verehrer weiter auf Bumble.
Aber ich schaue kaum noch nach. Wie bestellt und nicht abgeholt sitze ich auf meinem Sofa und frage mich, was das nur alles werden soll!
Ich könnte frustriert sein und verbittert. Wäre da nicht – nennen wir ihn einfach mal „Schlaflos in Gohlis“ – mein unsichtbarer Freund!
Jetzt ist diese Anne wohl völlig übergeschnappt, denkt ihr euch vielleicht. Nein, keineswegs.
Ich habe die perfekte, einzige Lösung für meine verzweifelte und aussichtslose Lage gefunden!
„Schlaflos in Gohlis“ schreibt mir seit dem Sommer. Jeden Tag. Inzwischen schickt er Herzchen mit. Und natürlich habe ich ihn getroffen. Er existiert. Selbst wenn ihn sonst niemand gesehen hat. Meine Familie kennt ihn nicht, meine Freundinnen fragen nicht nach.
Dabei ist „Schlaflos in Gohlis“ eigentlich ziemlich toll. Und macht gerade ziemlich viel richtig, verdammt! Er ist klug, aufmerksam und lieb. Er drängt sich nicht auf mit Ansprüchen, Meinungen oder Gefühlen. Wenn wir uns sehen, zündet „Schlaflos in Gohlis“ Kerzen an und braucht immer etwas Zeit, bis er sich traut, mich in den Arm zu nehmen.
Leider passiert das viel zu selten. Denn auch „Schlaflos in Gohlis“ hat ein Zeitproblem. Mein unsichtbarer Freund ist ein Single-Papa. Ein Papa, der wie ich, zwischen einem spannenden Job jongliert und einem Kind, das er über alles liebt.
Nachts reichen „Schlaflos in Gohlis“ und ich uns die Hand, rein metaphorisch natürlich nur.
Er arbeitet bis 3 Uhr in der Früh, damit später Zeit für den Spielplatz ist. Ich stehe um 5 Uhr auf, weil ich vor der Kita noch schnell etwas schaffen muss.
Werde ich diesen Mann je wirklich kennenlernen? Ganz ehrlich, ich weiß es nicht genau. Aber vielleicht ist das gerade gar nicht so schlimm. Ein neues Jahr steht vor der Tür. Ich bin Single-Mami. Aber kein bisschen einsam und recht vergnügt.
Apropos Gohlis: Ihr kommt nicht aus Leipzig? Dann wisst ihr wahrscheinlich noch nicht, dass Gohlis ein hübscher Stadtteil im Leipziger Norden ist. Neben interessanten Männern gibt es dort nette Cafés, grüne Parks und süße kleine Läden. Also, schaut mal vorbei!