Believe the Hype – Frides Medien und Zeitgeist Kolumne
Ein Outsider-Insider-Gespräch mit Anja Fischer und Fride
2021 und es gibt einen neuen Social Network Hype. Von Tagesschau bis LinkedIn – alle diskutieren über DIE App der Stunde.
Name: CLUBHOUSE
Kurzbeschreibung: Audio-App mit virtuellen Themenräumen zum Zuhören und mitdiskutieren.
Gründer: Rohan Seth und Paul Davison – beides Mitglieder des Silicon Valley mit Stationen u.a. bei Google und Pinterest. Die Beiden gründeten die Alpha Exploration Co. unter der Clubhouse gelauncht wurde.
Prominente Nutzer: Von Lars Eidinger über Caro Daur bis Christian Lindner tummelt sich gefühlt gerade jede:r dort.
Kosten: Keine. Dafür kommt man ins Clubhouse nur mit Einladung von einem Mitglied und iPhone rein.
Da ich ein Android Mobiltelefon besitze und diese Version für Clubhouse noch nicht verfügbar ist, bin ich für einen Insider-Bericht quasi raus.
Also Netzwerk- und Social Media Pro Anja Fischer in die „Believe the hype“-Kolumne geholt.
Anja ist regelmäßige Clubhouse-Gängerin, hostet selbst auch immer mal wieder Räume zu verschiedenen Themen und hat sich in den letzten Tagen ein umfangreiches Bild zum aktuellen Megahype gemacht.
„Wie ein Gespräch in der Kneipe, wo man von Tisch zu Tisch wechseln kann, je nachdem wo man zuhören möchte.“
Anja, wie müssen wir uns die Clubhouse-Welt vorstellen? Es ist ja keine klassische Audio-Plattform wie Spotify, Soundcloud und Co.
Clubhouse ist praktisch wie eine Art digitale Messe, wenn man das so sagen kann. Es gibt unterschiedliche Räume zu den verschiedensten Themen und man kann unverbindlich überall reinschauen und Räume auch wieder verlassen. Es handelt sich also um eine große Podiumsdiskussion und jede:r kann die Hand heben, wenn er/sie was zu dem Gespräch oder der Personen auf dem Podium beitragen möchte. Dann liegt es an den ModeratorInnen, ob sie die Wortmeldungen zulassen oder nicht. Es gibt Gespräche zu jedem Thema, egal ob Marketing, Nachhaltigkeit oder Investing. Oder auch zur puren Unterhaltung über belanglose Themen.
Viele jammern jetzt schon wie lang ihre Nutzungsdauer dort ist. Warum ist Clubhouse so fesselnd?
Wirklich ganz klassisch FOMO, also „fear of missing out“. Clubhouse erlaubt es nicht, dass Screenrecordings durchgeführt werden NutzerInnen die das machen, erhalten eine Benachrichtigung, dass dies nicht gestattet ist. Die Talks werden also nicht aufgezeichnet, heißt, wenn man was verpasst, ist es nicht nachzuholen. Dadurch hat man natürlich das Gefühl – ich zumindest – dass durchgehend spannende Gespräche laufen, bei denen man was verpasst. Clubhouse triggert dies nochmal zusätzlich, indem man Benachrichtigungen erhält, wenn Person XY, der man folgt, gerade irgendwo spricht. Fluch und Segen zugleich.
Welchen positiven Nutzen bringt die neue Social Media App deiner Meinung nach und was macht sie jetzt schon besser als andere Netzwerke?
Clubhouse ist aktuell sehr nahbar. Der Kreis ist noch relativ klein und so ist es leicht möglich an die „Großen der Branche“ irgendwie ran zu kommen, um die eigenen Fragen zu stellen. Egal ob es sich dabei um GründerInnen wie David von Everdrop oder Ann-Sophie Claus von The Female Company, ModeratorInnen wie Joko Winterscheidt und Eva Schulz oder PolitikerInnen wie Doro Bär und Philipp Amthor handelt. Die Stardichte ist sehr hoch, alles aber noch auf einer sehr sympathischen Ebene. Wie ein Gespräch in der Kneipe, wo man von Tisch zu Tisch wechseln kann, je nachdem wo man grad zuhören will.
Man liest etwa auf LinkedIn natürlich auch kritische Positionen. Zum Beispiel: Nicht inklusiv, dort ebenfalls RassistenInnen wie bei Twitter, Instagram etc., Datenschutzmängel und man kommt nur via Einladung rein… Wie ist dein Eindruck und was sollte verbessert werden?
Ich verstehe die Kritik vollkommen. Ich bin selber erst seit kurzem Apple-Nutzerin und war vorher immer Fan von Android. Das Argument mit iOS only ist insofern aber nachvollziehbar, dass es sich immer noch um eine Beta-Version der App handelt und, wie in der App-Entwicklung üblich, immer erst eine App programmiert wird, bevor man diese für ein zweites Betriebssystem aufsetzt. Ein Kostenfaktor, der nicht zu unterschätzen ist.
Zum Thema Rassismus: Bei Clubhouse werden die jeweiligen Räume nur von ModeratorInnen moderiert. Wenn diese Personen also Rassismus dulden, dann findet er statt, solange niemand diese Personen meldet. Es gibt keine externe Kontrolldistanz, die den Inhalt in den Räumen checkt.
Schönstes Erlebnis bisher auf Clubhouse?
In einer größeren Gruppe von Chris Nanoo (Proseccolaune-Podcast), Max Bierhals und weiteren, hat eine Person seine ehrenamtliche Aktivität geteilt und die Runde wurde immer größer, bis ca. 1200 Leute in dem Raum waren und Joko Winterscheidt mit dazu kam. Diese Person hat dann nochmal seine NGO erwähnt, in der er tätig ist und Joko hat direkt gemeint, dass er das Thema in seiner Instagram-Story erwähnen und selbst spenden wird.
Deine „Raum“-oder Gruppenempfehlungen im Clubhouse?
Wirkliche Räume bzw. Gruppen kann man nicht empfehlen, da die ziemlich variieren. Es empfiehlt sich Personen zu folgen, deren Content man auf anderen Social Media Plattformen mag. Dann bekommt man immer eine Benachrichtigung, wenn diese Person in einem Raum spricht bzw. selber einen Raum öffnet. So kann man sich die eigene Bubble ein bisschen aufbauen und schauen, in welchen Räumen sich dann die Personen so rumtreiben, denen man selbst folgt.
Wird aus dem Hype 2021 ein langfristig etabliertes Social Media-Netzwerk?
Clubhouse funktioniert aktuell einfach aufgrund der Pandemie und des Lockdowns super. Dieser Hype wird deswegen sicher noch eine Zeit lang andauernd, bis sich regelmäßige Talks etablieren. Die Plattform ist im Moment auch noch sehr vollgeladen, weil sich jede:r ausprobiert und ohne Ende Räume erstellt und ankündigt. Ich denke spätestens im Sommer, wenn sich das Leben wieder mehr draußen abspielt und man auch im Real Life wieder Leute treffen kann & darf, wird Clubhouse sicher wieder ruhiger. Im Moment ist es noch komplette Reizüberflutung, die sich aber von Tag zu Tag etwas legt.
Ich denke aber, dass sich die App etablieren wird, weil eine Interaktion zwischen Speakern und der Audience super leicht möglich ist. Ich sehe hier viel Potential und besonders in den USA hat sich Clubhouse schon sehr etabliert, weil dort viele Investor:innen unterwegs sind. Ich bin gespannt, wo sich die App hin entwickeln wird und welcher Content uns in der Zukunft noch erwartet. Ich werde mich dort auf alle Fälle selbst auch noch ausprobieren, eigene Räume eröffnen und selbst Wort ergreifen.
Liebe Anja, vielen Dank für deine Insider-Einblicke.
Anja Fischer könnt ihr auf Instagram oder LinkedIn folgen.
Und das sagt die LAYERS Redaktion – Sarah Stiller:
„Erster Impuls als mir Fride von Clubhouse erzählt: Uff, noch ´ne Plattform, noch mehr Input, noch mehr Zeit am Handy. Aber meine Neugier siegt und so springe ich seit ein paar Tagen von Raum zu Raum und horche in die verschiedensten Gespräche zu den verschiedensten Themen rein.
Mir gefällt, dass ich mich durch das Live Audio Format den RednerInnen sehr nah fühle, so als würde ich wirklich mit ihnen telefonieren. Das fühlt sich auch ziemlich schräg an, da man plötzlich den Eindruck hat wirklich mit Personen bspw. aus der Politik zu sprechen, die man sonst nur aus den Nachrichten kennt. Vor allem im politischen Kontext finde ich dieses spontane Audioformat richtig gut, weil dadurch Barrieren überwunden werden und jede:r die Möglichkeit bekommt sich direkt ins Gespräch einzubringen. Das ist für mich tatsächlich das große PRO Argument von Clubhouse, auch wenn ich die FOMO Gefühle, die die App auslöst, nachvollziehen kann. Deshalb versuche ich nicht übermäßig viel Zeit auf der Plattform zu verbringen.
Ich werde mir das auf jeden Fall noch eine Weile intensiver ansehen bzw. anhören und freue mich drauf, wenn die App für mehr NutzerInnen zugänglich wird.“
Mehr Infos für Clubhouse Outsider & Insider:
Ein Hype kommt plötzlich und reißt immer viele Fragen auf und stößt Debatten an, die man an dieser Stelle nicht alle unterbringen kann. Deshalb hier drei ausgewählte Links von mir für mehr Einblicke:
Wer hat den Hype in Deutschland ausgelöst?
Gründer Paul Davison in einem früheren Videointerview
Aktueller Datenschutz bei Clubhouse
So, und jetzt clubbe ich erstmal bei mir rum. In der Wohnung. Nur ich und der Lieblingssoundtrack.
In diesem Sinne, schreibt uns gern wie ihr Clubhouse findet.
Eure Fride