Wir stellen vor: Ramona Schacht aus Leipzig
Kennt ihr das Museum der bildenden Künste in Leipzig? In dem gläsernen Kubus mitten im Leipziger Zentrum findet ihr Werke von Max Klinger, Arno Rink, Andy Warhol, Daniel Richter und vielen weiteren renommierten Künstlern. Das MdbK zählt zu den umfangreichsten Kunstsammlungen in ganz Deutschland und wer sich nur einen Hauch für Kunstgeschichte oder Leipziger Künstler interessiert, für den gehört ein Besuch zum Pflichtprogramm.
Wir waren schon ein paar Mal im MdbK und entdecken immer wieder Neues. Besonders spannend ist die neue Ausstellungsreihe CONNECT, die es auch jungen Künstlern und Künstlerinnen ermöglicht, ihre Werke im Museum erstmalig einer breiten Masse zu präsentieren. Welch tolle Möglichkeit! Besonders gefreut haben wir uns für die Leipziger Fotografin Ramona Schacht, mit der wir auch schon zusammengearbeitet haben. Ramona wurde mit 9 weiteren jungen Künstlern aus rund 120 Bewerbern ausgewählt und präsentiert aktuell noch bis 30. September ihre Serie NOT ENOUGH im Zündkerzen-Hof im Erdgeschoss des Museums.
Wie es sich anfühlt, seine eigenen Werke in einem so großen Museum hängen zu sehen, worum genau es Ramona mit ihren Arbeiten geht und was sie angehenden Fotografen rät, haben wir in unserem Interview erfahren!
Ramona, seit wann fotografierst du?
Seit dem Ende meines letztens Studiums – also seit ca. vier Jahren. 2015 habe ich mein 1. Staatsexamen in Bildender Kunst, Geschichte und evangelischer Religion vollendet und mich dann noch einmal an drei verschiedenen Kunsthochschulen für die Meisterklasse oder die allgemeine Fotografieklasse beworben. Nachdem ich mich in Braunschweig, in Berlin Weißensee, an der HGB in Leipzig und an der BURG in Halle beworben hatte, erhielt ich überall eine Zusage und entschied mich zunächst für Halle, da ich dort den Master in Fotografie in zwei Jahren absolvieren konnte. An der HGB in Leipzig dauerte mir das Studium zu lange. Jedoch schon nach einigen Wochen musste ich feststellen, dass weder Halle als Ort noch der Studiengang mir und meiner Arbeit entsprachen und mich nicht in meiner Auseinandersetzung unterstützten und inspirierten. Somit fing ich in Leipzig an der Schule an, lebe hier und fühle mich in allem und mit allem sehr wohl.
Wie kam es zu deiner Ausstellung im MdbK?
Im vergangenen Jahr wurde ich auf eine Ausschreibung aufmerksam, in der darum ging, Künstler*innen aus Leipzig und Umgebung unter dreißig Jahren die Möglichkeit zu geben, für einen Monat einen Raum im MdbK zu bespielen. Ich bewarb mich mit meiner Arbeit und dem Projektkonzept und wurde neben acht anderen Künstler*innen unter ca. 120 Bewerbungen ausgewählt.
„Ich spürte Aufregung, Erleichterung und Glück und auch eine Unsicherheit, die gleichzeitig mitschwang.“
Wie hast du dich gefühlt als du deine Bilder zum ersten Mal dort hängen gesehen hast?
Während des Aufbaus, als ich die Bilder das erste Mal im Museum hängen sah, war ich mit meinem Gefühl und meinen Gedanken noch bei vielen anderen Aufgaben, die es noch zu erledigen galt, bevor die Ausstellung eröffnet werden sollte. Nachdem ich den größten Teil dessen erarbeitet hatte, stand ich einen Tag vor der Eröffnung noch einmal ganz alleine im Raum und betrachtete die großen Bilder, die kleinen und die Lampen. Erst jetzt spürte ich Aufregung, Erleichterung und Glück und auch eine Unsicherheit, die gleichzeitig mitschwang.
Welches Thema behandelst du mit deinen Arbeiten? Welchen Bezug hast du dazu?
Im Wesentlichen geht es um die Intimsphäre, die sich zwischen mir und den Portraitierten während des Aktes des Fotografierens entwickelt und dann natürlich auch zwischen ihnen. Ich ergründe, wie Menschen ihre Beziehungen führen, welche Beziehungsformen es gibt und wie sie funktionieren. Für diese Serie habe ich polyamorös lebende Paare fotografiert. Intimität zeigt sich für mich in Momentaufnahmen – aufgeriebene Gesichtsausdrücke zum Beispiel. Eindrücke also, die nur kurz auftauchen. Wir nehmen sie selten an uns wahr, sondern sehen sie oft nur an unserem Gegenüber. Um sie einzufangen, ist Bewegungsunschärfe ein wichtiges bildästhetisches Mittel meiner Arbeit. Dass damit die Festschreibung eines sich ständig verändernden Gefühls zur Bildsprache wird, ist für mich wichtiger als der reduziert-voyeuristische Blick auf Körperstellen, die gerade durch ihre individuelle Beschaffenheit – Brandmale, Risse, Falten – vom ästhetisch und gesellschaftlichen Idealbild abweichen. Intensive Liebesgefühle sind für mich immer auch verbunden mit der Angst zurückgelassen zu werden, einer Enttäuschung und Einsamkeit. Aber auch mit Gefühlen einer unbeschreibbaren Nähe und einer Offenbarung seinem Gegenüber. Aber, wenn ich es besser in Worte fassen könnte, würde ich mir auch nicht die Mühe machen, es mit Fotografie auszudrücken.
„Ich ergründe wie Menschen ihre Beziehungen führen, welche Beziehungsformen es gibt, und wie sie funktionieren.“
Woran arbeitest du sonst?
Momentan möchte ich mich mit mit dieser Thematik weiter beschäftigen. Doch in den nächsten Wochen und Monaten spüre ich eher einen Drang und eine Notwendigkeit mich wieder mehr auf theoretische Ansätze zu konzentrieren. Dazu möchte ich unter anderem noch einmal Beyond the Family. Inszenierungen von Gemeinschaft in der zeitgenössischen Fotografie von Meike Kröncke lesen und meine Arbeit daraufhin noch einmal reflektieren. Am Mittwoch, den 26. September werde ich im MdbK ein Künstlerinnengespräch mit der Autorin führen. Es wird um wichtige Themen gehen, die mit der Arbeit in Zusammenhang stehen. Wie bin ich zu dieser Thematik gelangt? Was bedeutet die Nacktheit in der zeitgenössischen Fotografie und in meiner Arbeit? Oder wie zeigt sich Intimität in meiner Auseinandersetzung?
Wie kombinierst du Selbstständigkeit und Privatleben?
Es ist nicht einfach, aber ich versuche ein gutes Maß zu finden nicht den ganzen Tag, an jedem Tag in der Woche zu arbeiten. Ich bin sehr erfüllt währenddessen und kann daher tagelang ohne andere/s an Projekten arbeiten. Die freie Zeit verbringe ich dann gerne mit meinen Freund*innen, Freund und Familie. Die Entspannung, der Spaß und die Gespräche geben mir Energie und Gelassenheit. Aber auch ein Rückzug von diesen ist eine wichtige Quelle für Kraft und Reflexion.
„Entspannung, Spaß und Gespräche geben mir Energie und Gelassenheit. Aber auch Rückzug ist eine wichtige Quelle für Kraft und Reflexion.“
Was rätst du jemandem, der Fotograf werden möchte?
Nie seine Neugier aufzugeben. Immer weiter zu forschen.
Was macht dich glücklich?
Die Zeit mit meinem Freund, meiner Familie und nahen Freunden, Diskussionen, Lesen, Tanzen, Träumen. Bilder, die ich sehe, die mich berühren und die ich vielleicht sogar einfangen kann.
Wo ist dein Lieblingsort?
Im darüber Nachdenken wird mir klar, dass es nicht nur einen Ort gibt, sondern einige, sehr unterschiedliche Plätze. Jedoch haben sie alle gemeinsam, dass sie immer mit Menschen in Verbindung stehen, die auch einen essenziellen Platz in meinem Leben haben. Einer meiner liebsten Orte ist das Haus, der Hof und die nähere Umgebung meiner Eltern. Sie leben in einem tausend Einwohner-Dorf, das ca. eine Stunde Autofahrt von dem nächsten Hauptbahnhof entfernt liegt. Der Ort und die Nähe zu meiner Familie ist für mich mit sehr viel Ruhe und Auszeit verbunden. Ein anderer Ort ist die Wohnung meiner engsten Freundin und deren Familie aus Berlin. Ein anderer ist Marnay sur Seine in Frankreich und nicht zu vergessen natürlich Leipzig, wobei die gesamte Stadt der Ort ist.
Vielen Dank für das spannende Gespräch, Ramona!