„Welches Jahr war für dich das schwerste mit Kind?“, fragt mein Mann beim Abendessen und ich muss nicht lange überlegen. „Das erste! Da habe ich mich so einsam gefühlt.“
Für Außenstehende mag das komisch klingen. Wie kann man einsam sein, wenn man den ganzen Tag mit seinem Kind zusammen ist? Ja das geht, denn in dieser Zeit ändert sich für eine junge Mutter einfach alles. Und der oft einzige Gesprächspartner des Tages ist zuckersüß, kann aber leider nicht sprechen.
Die ersten Tage als Mutter sind voll und doch so unendlich leer.
Auch der beste Partner der Welt kann das nicht ausgleichen. Und das soll er auch nicht. Für ihn geht das Leben nach einigen gemeinsamen Tagen oder Wochen weiter. Gleicher Job, gleiche Leute, aber eine völlig andere Frau.
Ich werde nie vergessen, als er das erste Mal aus der Tür ging und ich da stand mit meinem Baby. Die Angst und die immense Verantwortung für dieses kleine Lebewesen erdrückten mich. Meine Freunde waren alle mit ihrem Alltag beschäftigt und wähnten mich im Mutterglück. Und ich war sehr glücklich, mein Kind endlich zu haben.
Aber mein Leben wurde immer inkompatibler zu jeder Art von sozialem Kontakt.
Zu intellektuellen Gesprächen war ich nicht mehr in der Lage. Ich hatte neue Themen: Wann hat das Kind aus welcher Brust getrunken? Welche Farbe hat sein Kot und warum? Kann es schon den Kopf heben? Hat es Bauchweh oder nur Hunger? Und die große quälende Frage, die mein Leben nun über Jahre dominieren sollte: Wann schläft es und wie lange?
Das Baby schreibt den Terminplan
Nie hätte ich erwartet, dass das Thema Schlaf so wichtig für mich werden würde. Und natürlich war meine Tochter ein besonderer Härtefall. Ich führte Buch über ihre Schlafenszeiten, plante Autofahren danach und Erledigungen dazwischen. Ob wir uns heute zum Mittag treffen können? Nein, das liegt genau zwischen dem zweiten und dritten Schläfchen. Ich kann ab 14 Uhr aber dann auch nur 40 Minuten, damit ich noch genug Zeit habe für …. Ach, und Stillen muss ich auch noch.
Wäre ich mit mir befreundet gewesen, hätte ich auch die Augen verdreht.
Ich war komplett überspannt, hatte nur noch dieses eine Thema. Aus gutem Grund. Aber nur, weil es richtig ist, sein Leben nach dem eigenen Kind auszurichten, heißt das nicht, dass es sich für jede Mutter gut anfühlt.
Allein unter Menschen
Ziemlich schnell begannen wir Treffen mit Freunden, Familienfeiern und sonstige Verpflichtungen auf ein Minimum zu reduzieren. Menschen machten die Einsamkeit nur noch schlimmer. Besuchten wir Freunde, war ich sowieso nur körperlich anwesend. Ich konnte niemandem richtig zuhören. Das Kind musste trinken, gewickelt werden und war dann auch schon wieder müde und weinerlich. Zwischendurch sah ich mich nicken und lächeln. Aber ehrlich: Keine Ahnung, was ihr da redet! Und dann musste ich auch gleich wieder weg. „War schön dich zu sehen!“, höre ich noch. Wirklich? Für mich war es anstrengend und ich bin froh, gleich zu Hause mit Baby auf der Couch zu liegen. Allein. Lieber so, als allein unter Menschen.
Andere Mütter, andere Sitten
Und dann ist da noch der ultimative Tipp gegen die Einsamkeit: Such dir andere Mütter. Es gibt doch Krabbelgruppen, Babyschwimmen, Pekip und Co. Ja, richtig. Das habe ich probiert. Ich war wirklich motiviert: drei verschiedene Krabbelgruppen, Mutter-Kind-Sport und Babyschwimmen.
Für mich war das Muttersein mit anderen Frauen nicht gerade verbindend.
In Wahrheit beobachtet man da nur fremde Frauen dabei, wie sie mit ihrem Kind umgehen. Komplett verunsichert wurden meine Selbstgespräche nur intensiver: Warum lässt die ihr Kind weinen? Herrje, halt es richtig fest! Warum machst du das nicht sauber? Kniebeuge mit Kind im Arm? Hahaha!
Man erlebt das komplette Spektrum zwischen joggenden Müttern mit Baby in der Trage, bis zum Häufchen auf der Krabbelmatte, weil das so schön natürlich ist. Und wisst ihr was? Das alles ist in Ordnung. Denn jeder findet seinen Weg. Nur gehen die wenigsten Mütter diesen Weg gemeinsam.
Wie komme ich da wieder raus?
Achtung Pathos: Der Weg aus der Einsamkeit ist immer ein Weg zu sich selbst. Und diesen findet man bekanntlich nicht im Außen, sondern im Inneren. Kalenderspruch-Modus wieder aus. Erzwungene, gewollte Gemeinschaft ist also nicht die Lösung, sondern Akzeptanz. Tut mir leid für alle, die jetzt mehr erwartet haben. Nach der Geburt des Kindes wird eine Frau faktisch zur Mutter. In Wahrheit aber beginnt dann erst der Prozess dorthin.
Wie nie zuvor lernen wir Aushalten, Abwarten, Ertragen, Erdulden, Lieben und Aufopfern.
Und da müssen wir durch. Ganz allein. Dazwischen begegnen uns immer wieder Menschen, die uns zeigen, wie wir sein wollen oder eben nicht. Keine Mutter ist wie die andere.
Irgendwann trifft man kompatible Personen, vielleicht. Die Me-Time wird langsam mehr, das Kind kommt in den Kindergarten, die Partnerschaft wächst und verändert sich. Das „alte Leben“ kommt jedoch nicht mehr zurück. Aber es kommt ein neues. Nichts steht still. Auch nicht die Einsamkeit.