„It izz what it izz.“ – Fride über TikTok, denglisch und andere Generationsmissverständnisse

„Mal ehrlich Fride: Ich kann die mit ihrem TikTok nicht verstehen.“ „Die reden so viel englisch, dafür braucht man ja Untertitel.“ „Die wollen alle Influenzah werden. Das ist doch eine Krankheit, haha.“

Standardsätze, die mir häufig entgegenschallen. Bei der Herunterbrechung auf den Artikel „die“ ist übrigens „die“ Jugend gemeint. Also jeder unterhalb des eigenen Altersjahrzehnts. In der Regel höre ich die oben genannten Phrasen daher von Menschen, die 30 bis 40 Lenze zählen.

Frides Kolumne kannst du dir auch von ihr vorlesen lassen.

Leider bewirken solche Äußerungen bei mir als Erstreaktion nur Schweigestarre. Was soll ich dem entgegnen? Genauso verallgemeinernd zustimmen?

„Haha, diese Jugend! Sollen die sich erstmal richtig in zwei, drei Start Ups burnouten. Und ’nen Yoga Retreat in Bali besuchen und auf Florist oder Tischlerin umschulen. Dann wissen die was richtiges Arbeiten und der Sinn des Lebens ist!“

Außerdem nutze und interessiere ich mich beruflich wie privat selbst für soziale Medien. Bin also eh der falsche Ansprechpartner. Jedoch möchte ich nicht unhöflich erscheinen und dem Urteilenden diplomatisch Rede und Antwort stehen.

Folgende Antwortmöglichkeiten da wären…

Punkt 1: Du musst nicht alles verstehen!

Ich etwa kapiere nicht, wie man Nächte mit Serienmarathons auf Netflix verbringt, um dann am Ende einer Staffel mit einem offenen Ende und der Option, dass die Serie vielleicht nicht fortgeführt wird, leben zu müssen. Prädikat unbefriedigend!

450 kcal am Morgen in Form von Flüssigkeit Marke „Smoothie“ statt eines gehaltvollen Käsebrots. Lebensfreudeentzug!

Sich für viel Geld und Schmerzen die Haut mit Motiven irreversibel pigmentieren zu lassen: Bin raus!

Aber ich MUSS das auch nicht verstehen! Denn wie sagen die Rheinländer so schön: Jeder Jeck ist anders. Und jeder mit seiner Anfälligkeit für unterschiedliche zeitgeistige Trends und Geschmäcker ebenso.

Also einfach mal jedem Menschen egal welchen Alters seine keinem anderen schadenden „Freuden“ oder „Verhaltensstörungen“ lassen.

Punkt 2: Immer zuerst an die eigene Nase fassen!

Begeben wir uns zur Veranschaulichung in das Reich des Trash TVs. Speziell: Germanys Next Topmodel. Geschätzte Zielgruppe: 15 bis 40 Jahre, weiblich, alle Berufs-und Bildungsbereiche.

In diesem Jahr stach besonders eine junge Frau bei den Zuschauerinnen unter 25 positiv hervor.

Tamara.

Schon optisch eine interessant-operierte Erscheinung, fiel sie besonders durch ihr stabiles Selbstbewusstsein und eigene Sprechweise (einem Mischmasch aus wienerischem Dialekt mit englischer Sprache) auf. „Bleibt schön disgusting. I would say: Bye bitches.“

Und ja: Die Sendung hindurch gab es Untertitel damit wirklich jeder Zuschauer dem inhaltsarmen Format folgen konnte.

Allein schon, dass Tamara sich selbst einfach richtig gut fand und dies offen kommunizierte, hätte ein Fall für „wir hassen sie und trollen das Internet mit fiesen Kommentaren“ werden müssen.

Wurde es aber nicht: Denn die 19-jährige mochte sich, gönnte aber Erfolg auch jeder Anderen in der Show, ließ sich, in der kalorien- und frauenverachtenden Umgebung voller Fashion-Narzissten, nicht die Butter vom Brot nehmen und besaß vor allem ein wichtiges Gut: Sie nahm sich selbst nicht so ernst.

Damit avancierte Tamara zur uneingeschränkten „Queen“ bei „der“ Jugend in der Staffel. „It izz what it izz.“ Oder wie man regional so schön sagt: „Watt willste machen?!“

Gegen ihr denglisch wettern zum Beispiel. Dies allerdings ausnahmslos in Kommentaren geprägt von Abstinenz an Grammatik, Interpunktion und Satzbau. Für eine Rechtschreibschwäche kann niemand etwas. Nur sollte man sich nicht unbedingt für den Gebrauch der Muttersprache in Reinform einsetzen, wenn man sämtliche Regeln selbiger innerhalb von 30 Zeichen aushebelt.

Zumal nahezu jeder dieser Meckerer einer der Generationen angehört, in der bereits ein nicht unerheblicher Teil der Eltern(!) sich in der Namensgebung seiner Nachkommen an US-amerikanischen Blockbustern und Stars orientierte.

Doch auch persönlich brachte ich mit Worten wie „wtf“, „by the way“ und „come on“ meine Großmütter und mich in Verständigungsschwierigkeiten.

Deshalb: Entweder erst einmal den eigenen Sprachgebrauch aufräumen und verbessern bevor man rum stänkert oder einfach auf Punkt eins zurückgreifen.

Punkt drei: Erst ausprobieren vorm echauffieren!

Zur aktuell größten Konkurrenz von Instagram gehört wohl TikTok.

Und nicht nur das: Instagram wird davon infiltriert. Denn konnte „die“ Jugend bisher noch unter sich bleiben, nutzen dank Corona-Stubenhockerdasein auf einmal immer mehr ältere Leute und A- bis Z-Prominente das Netzwerk. Um darauf aufmerksam zu machen, reposten sie fleißig ihre erstellten Tanz- und Challenge-Videos auf Instagram. Folglich bekommt man sogar als Nichtnutzer immer mehr Material aus dem Reich von „der“ Jugend zu Gesicht. Nun sind die älteren (alles ab 20) neuen User nicht immer so versierte „Content Producer“ wie die älteren Etablierten (alles vor 20). Und nicht jeder ist eine Ausgeburt an Witz und Kreativität („Face the truth, guys.“). Nachsynchronisieren von Dialogschnipseln will durchaus gelernt sein und ist in den meisten Fällen einfach peinlich unlustig umgesetzt. Und bis auf groovy Robert Lewandowski sollte auch nicht jeder versuchen, seine Hüften im Takt der Musiktracks kreisen zu lassen.

Um allen Unwissenden einen kleinen Einblick zu geben, was zumindest visuell auf der Plattform möglich ist hier ein Beispiel von Deutschlands bekanntestem TikTokker Falco Punch.

Jedenfalls ist selbst ausprobieren statt sich an Laien (seien sie noch so prominent) zu orientieren immer besser als pauschal zu urteilen. Und vielleicht überlegen, wie man vor fünf Jahren über Instagram geurteilt hat. An die Sprüche kann ich mich nämlich gut erinnern. „Was machst du da, Fride?“ „Das ist doch totaler Schrott.“ „Dass du das machst. Würde ich nie tun.“

Tja, alle Redner sind mittlerweile selbst vor Ort (schönen Gruß an der Stelle.)

Alternative zum Ausprobieren: Man lässt es einfach. Siehe Punkt eins. Außerdem kenne ich etliche von „der“ Jugend, welche weder soziale Medien häufig nutzen noch als erklärtes Lebensziel „irgendwas mit Medien“ (denn das sind die Professionen im Bereich „soziale Medien“ einfach auch nur) werden wollen.

Genauso wenig wie „die“ Generation der 30- bis 40-jährigen alle offene Beziehungen führen und ihre Hochleistungsansprüche im Job mit ewiger Party und exzessiver Selbstoptimierung in Form von Sport (Yoga, Bouldern und neuerdings wandern), glutenfreien Säften sowie Mondritualen kompensieren.

Klischees auf zwei Beinen gibt es natürlich immer, aber man sollte deshalb nicht eine komplette Altersstufe auf Selbige herunter brechen.

„It izz what it izz“. Soziale Medien und deren Nutzung werden bleiben, Sprache wird sich wie seit ihrem Anbeginn stetig weiterentwickeln und neue Trends kommen und gehen.

Diskussionen über „die“ hat übrigens noch nie jemanden wirklich weitergebracht.

Oder wie ich knapp sagen würde: „I don´t get it. Guilty.“

Die neuste Instagram Challenge, tanzende Promis auf TikTok oder Entgleisungen im Trash TV: Frides Blick auf die Medien entgeht nichts und sie bezieht auf charmant-(selbst-)ironische Art Stellung zu jedem Phänomen.

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