Wir stellen vor: Musiker Fabian Schütze
Die Raumstation funkelt im Scheinwerferlicht. Nebel steigt auf, ein atmosphärischer Synthie setzt ein – und dann erhebt sich diese dunkle, volle Stimme und überstrahlt alles. Von Einsamkeit, von Liebe, Schmerz und Heimat singt sie. Von allem, was hier in der Einsamkeit des Weltalls weit weg ist. Die Stimme gehört dem Leipziger Musiker Fabian Schütze.
Unter dem Pseudonym Me and Oceans sowie als Gründer des Labels Analogsoul bereichert er seit Jahren die Leipziger Musikszene. Das neuste Werk seines Soloprojekts, MIR – Briefe an Juri ist nun aber in vieler Hinsicht außergewöhnlich. Einem Live-Hörspiel gleich erzählt es in Briefen und Liedern die Geschichten des fiktiven Kosmonauten Juri Wolkov, der 1988 an Bord der MIR sitzt und aus der Distanz die kleinen und großen Tragödien der Menschheit betrachtet. So ungewöhnlich die Form des Albums, so speziell sind auch die Auftritte, die den Künstler zur Zeit quer durch Deutschland führen. Das Bühnenbild gleicht einer Raumstation aus der Me and Oceans in einer multimedialen Performance die Briefe und Lieder über Juri den Kosmonauten vorträgt.
Anlässlich des Tourstarts haben wir Fabian Schütze getroffen, um mehr über die Entstehungsgeschichte und sein Leben als Musiker in Leipzig zu erfahren.
Fabian, Du bist ja ursprünglich nicht aus Leipzig – seit wann bist Du hier?
Ich komme ursprünglich aus Jena, dort bin ich aufgewachsen, zur Schule gegangen, habe Abi gemacht und bin dann 2003 mit einer Bande von Leuten nach Leipzig gezogen. Das war eine Zeit, in der alles in der Südvorstadt ging, die war damals noch nicht fertig gentrifiziert und in Plagwitz war zu jener Zeit noch gar nichts. Wir waren da ungefähr fünf, sechs Jahre bevor wir in den Westen kamen.
„Wir wollten mehr als eine Schulband sein.“
Wie ist Analogsoul entstanden?
Analogsoul, gibt es seit 2008. Wir haben schon zu Schulzeiten Musik gemacht, ich hatte mit Freunden eine Live-Hiphop Band. In Jena gab es eine Crew, auch in Weimar und Erfurt. Weil das klein war und wir uns gut vernetzen mussten, gab es eine Szene über die drei Städte. Wir wurden dort dann auch schon Local Heroes und spielten Konzerte vor mehreren hundert Leuten. Wenn man dort als Schulband von 14 bis 18 Musik macht, geht das ziemlich schnell. Allerdings kennt dich dann 50 Kilometer weiter keine Sau, auch in Leipzig kannte man uns nicht. Genau deshalb hatten wir auch keinen Bock mehr, Local Heroes zu sein. Der Umkreis, in dem du Konzerte spielen kannst, ist einfach zu klein, das erschöpft sich sehr schnell. Das war dann auch der Gründungsgedanke für Analogsoul. Als Zusammenschluss von Leuten, die Ambitionen hatten und mehr sein wollten als eine groß gewordene Schülerband, die vor ihren Freunden Konzerte spielt, haben wir eine Agentur gegründet, um uns selbst Konzerte organisieren können. Mit der Zeit hat es sich dann hoch professionalisiert, wir merkten, dass wir uns das Ganze gut beibringen können und, dass wir irgendwann auf dem Stand waren, dass wir unsere Dienstleistungen auch anderen anbieten konnten. Konzerte und Tourneen buchen, Musik veröffentlichen, Vertrieb, Marketing – und das alles mit wenig Budget.
Was genau machst Du mit Deinem Soloprojekt Me and Oceans?
Me and Ocean ist schon lange das Feld für meine Solo-Aktivitäten. Wenn ich Bock habe, keine Kompromisse einzugehen und mit niemandem zu diskutieren. Es gibt ja immer noch Bandprojekte wie A Forest, bei denen die Inhalte mit vier, fünf Leuten entstehen. Das ist aber eine andere Art zu arbeiten. Me and Oceans war somit also schon immer meine Spielwiese, die es seit 2008, also schon seit der Gründung des Labels gibt. Das wechselt sich aber auch immer ab, mal bin ich an Me and Oceans, dann wieder an anderen Projekten.
Du hast zwischenzeitlich auch auf Englisch geschrieben. Weshalb?
Mir wurde es nach zehn Jahren langweilig auf Deutsch zu schreiben. Englisch war eine neue Herausforderung. Das jetzige Projekt ist nun eigentlich ein Back-to-the-Roots Ding. Nachdem ich fünf Jahre auf Englisch gesungen habe, komme ich jetzt wieder dahin zurück woher ich komme: zu einem krassen Fokus auf den Text. Denn bei diesem Projekt geht es in erster Linie um den Text, zuerst war das Script da und die Idee. Die Musik war in meinem Kopf immer eine Stütze, die dem Text folgt.
„Das Hörspiel ist für mich das beste zwischen Literatur und Musik.“
Wie ist die Idee entstanden, das Album wie ein Hörspiel zu gestalten?
Für mich ist das Hörspiel das beste der beiden Welten zwischen Literatur und Musik. Etwa das DDR-Kinderhörspiel Traumzauberbaum, das wohl fast jeder noch kennt. Wer das in der eigenen Jugend gehört hat, den lässt es nicht mehr los. Bei mir fungierte es jetzt als Trigger, etwas ähnliches zu machen – ein Hörspiel in Liedern mit übergeordneter Metastory samt Mikrokosmos. Nachdem ich zufällig nachts eine Doku über den Weltraum und Raumstationen gesehen hatte, wusste ich, dass dies der perfekte Ort für eine Geschichte war: ein abgeschlossener Raum, der stark assoziativ ist und als Metapher für das gesamte Buch funktionieren kann. In der Raumstation saß der Amerikaner neben dem Russen – was dort oben geschah war auch ein Sinnbild für das, was hier auf unserem Planeten passierte. Das war die Grundidee.
Kannst Du uns grob etwas über die Geschichte verraten?
Es geht um den Kosmonauten Juri Wolkov, der 1988 auf einem mehrmonatigem Aufenthalt auf der MIR ist. Dieser Aufenthalt und die Vorbereitung werden in Liedern und Briefen erzählt, die sein Umfeld und die Menschheit allgemein an ihn adressiert.
Handelt es sich um eine wahre oder fiktive Geschichte?
Die Figur Juri Wolkov ist zusammengesetzt aus vielen verschiedenen Personen und Geschehnissen, ist also eine fiktive Figur aus realen Einzelbestandteilen. Das beginnt mit dem Namen und geht weiter in alle Details der Geschichte Es steckt auf jeden Fall viel Recherche dahinter – die auch nicht immer den Weg ins Album gefunden hat. Dafür weiß ich jetzt richtig viel über Weltraum und Kosmonauten und was da alles passiert. (lacht)
Mit MIR – Briefe an Juri bist Du gerade auf Tour – was erwartet uns?
Wir haben eine Raumstation gebaut, eine Kulisse in der ich alles performe. In der Raumstation gibt es Kontrolleinheiten mit fest eingebautem, programmiertem Licht, das ich live bediene. Wandlampen, die sich drehen, eine Nebelmaschine, es gibt Feuer und eine Überschwemmung, Live-Visuals, private Fotos die ich lege und mit einer Kamera live auf eine Leinwand projiziere. Und natürlich viel Live-Hörspiel. Unter dem Tisch haben wir ein Mikro installiert, das Geräusche aufnimmt. Außerdem kann man oft die projezierten Briefe mitlesen, während Juri sie spricht.
„Meine Liebe zum Leipziger Westen lässt nicht nach.“
Wenn du gerade mal nicht auf Tour bist: Wo bist du in Leipzig privat am liebsten unterwegs?
Ich liebe den Westen und den Karl-Heine Kanal, wo ich ständig entlang laufe. Ich liebe dieses Viertel seit langem und es lässt auch nicht nach. Hier gibt es so viele schöne Orte: hier den Gemüsehändler, dort einen Capuccino beim Italiener..
Vielen Dank für das Interview, Fabian! Wenn auch Ihr Me and Oceans einmal live erleben wollt – und wir legen es Euch sehr ans Herz – dann habt Ihr am 28. April beim Hörsaalgeflüster im Leipziger Audimax die Gelegenheit. Die Tourdaten für alle anderen Städte findet Ihr auf der Me and Oceans Homepage.
Einen kleinen Vorgeschmack gibt’s hier: