Ein Gespräch mit einer Meisterin ihres Handwerks
Die Deutsche Zentrale für Tourismus stellt das Jahr 2018 unter das große Thema Kulinarik. Wenn etwas Besonderes auf den Tisch kommt, ist das eine passende Gelegenheit auch das gute Porzellan mal wieder herauszuholen. Die Kunst des Töpferns gehört zu einer der ältesten Handwerkstraditionen in Deutschland. Aber nicht erst seit gestern verleihen Manufakturen und Künstler dem alten Werkstoff ein modernes Gesicht.
Wie das geht, wollen wir genau wissen und so treffe ich mich auf eine Tasse Tee mit der Porzellankünstlerin Susan Heise. Natürlich trinken wir nicht aus irgendeiner Tasse, sondern aus Bechern ihrer aktuellen Serie. Die Diplom-Industriedesignerin für Porzellan und Glas studierte an der Burg Giebichenstein, zog vor zehn Jahren nach Leipzig und machte sich von 0 auf 100 selbstständig. Mittlerweile verkauft sie ihre wunderbar filigranen und zeitlos schönen Einzelstücke und Kleinserien in ganz Deutschland. Auf unserer Fahrt mit der S-Bahn sprechen wir über den Designprozess und die Zukunft dieses zerbrechlichen Werkstoffs.
„Achtung, Einfahrt S 5 nach Halle Hauptbahnhof!“
Du hast eine Töpferlehre absolviert. Wie kam es dazu?
Das war ganz unverhofft. Eigentlich wollte ich Bildhauerei studieren, war damals aber erst 19 und dachte ich muss erst mal noch etwas sehen von der Welt und überhaupt etwas lernen, vor allem einen Beruf. Steinbildhauer und Töpfer standen zur Auswahl, weil beides der Bildhauerei sehr nahekommt. Ich habe dann einen Platz in Mecklenburg in einer Keramiker-Familie bekommen und zwei Jahre dort gelebt und gelernt. Das hat mir eine Welt und Tätigkeit eröffnet, von der ich mir vorstellen konnte, sie ein Leben lang zu machen.
Wie ging es danach weiter?
In Halle an der Burg Giebichenstein habe ich drei Jahre lang in der Grafik studiert, das war ein kleiner Ausflug in die Kunst. Meinem Porzellan und der Keramik fühlte ich mich aber doch näher, also habe ich meinen Abschluss habe im Industriedesign gemacht. Ich bin also ausgebildete Diplom-Industriedesignerin für Porzellan und Glas. Nach dem Studium bin ich nach Leipzig gezogen und habe 2007 hier meine erste Werkstatt eröffnet und mich von 0 auf 100 selbstständig gemacht.
Was fasziniert dich an dem Material?
Ich habe ja zuerst mit Ton gedreht, das hat durchaus auch seinen Reiz, aber für mich hat das Porzellan besondere Herausforderungen. Man muss es anspruchsvoller behandeln, denn es hat ein paar Eigenschaften, die den Umgang damit schwieriger machen. Man muss anders an die Grenzen des Handwerks gehen und kann viele Dinge nicht so einfach tun. Es gehören viele Überlegungen, aber auch Experimente dazu. Man muss das Handwerk auf den Punkt beherrschen und viele Dinge wissen. Es ist ein sehr unplastisches, reines und unstatisches Material. Es hat aber auch eine gewisse Reinheit, die ich sehr liebe. Die Durchlässigkeit des Lichtes, die Zerbrechlichkeit und gleichzeitig innere Stabilität machen den Reiz des Porzellans für mich aus. Natürlich auch die kulturhistorische Entwicklung, die damit verbunden ist.
Gibt es Design-Trends, die aktuell sind?
Im Moment kann man beobachten, dass alles Handgemachte im Trend liegt. Das versucht die Industrie zum Beispiel mit ungeraden Formen, die nach „handmade“ aussehen, zu imitieren. Ansonsten sind die Trends sehr vielfältig. Keramik tritt wieder mehr in den Fokus. Auch eingefärbte Porzellane und verschiedene Nuancen von Farben sieht man sehr viel.
„Nächster Halt: Leipzig Messe. Ausstieg in Fahrtrichtung links.“
Welche kreativen, aber auch praktischen Überlegungen fließen in den Entstehungsprozess deiner Arbeit ein?
Da gibt es natürlich ganz praktische Überlegungen, wenn man zum Beispiel einen Auftrag hat. Aktuell gestalte ich zum Beispiel das Abendmahlgeschirr für die Evangelische Hochschule in Dresden. Da gibt es ganz praktische Anforderungen, die es zu erfüllen gilt. Die Kunden suchen mich zwar aus, weil sie meinen Stil mögen, aber es gibt zum Beispiel ganz funktionale Gegenstände, die ich so nicht in meiner Kollektion habe. Zum Beispiel entwerfe ich extra für diesen Auftrag einen Krug, eine Taufkanne und eine Weinkaraffe. Ich habe auch schon mit Restaurants zusammengearbeitet, die bestimmte Tellerformen haben wollten. Zum Beispiel habe ich das Restaurant „Planerts“ in Leipzig komplett ausgestattet. Oft ergänzt man sich gegenseitig und es entstehen Produkte, die aus mir selbst heraus so nicht entstanden wären. Man inspiriert sich, versucht Wünschen gerecht zu werden und seinem eigenen Stil dennoch treu zu bleiben.
Welchen Stellenwert misst Du Porzellan in der Zukunft bei?
Porzellan wird es meiner Meinung nach immer geben, weil es eine große kulturelle Tradition hat. Porzellan ist vom Material her zwar nicht ökologisch nachhaltig, weil es sich nicht zersetzt und nach hunderten Jahren immer noch in der Erde gefunden wird. Aber, wenn sich Kunden zwei ausgewählte Stücke von mir kaufen, die sie jahrelang haben und damit gegen ein großes Set Billigporzellan entscheiden, hat das auch einen nachhaltigen Ansatz.
Was bedeutet Erfolg für dich?
Erfolg bedeutet für mich, wenn ich von meiner Arbeit existieren und mit dem, was mir am Herzen liegt, meine kleine Familie ernähren kann. Mir ist es nicht wichtig, eines der großen Labels zu werden, sondern, dass es Menschen gibt, die meine Arbeit zu schätzen wissen und dass ich in meinem fachlichen Umfeld eine gewisse Anerkennung erfahre.
Warum sollten die Menschen mehr Zug fahren?
Damit sie endlich mal wieder ein bisschen mehr Landschaft sehen ohne nur auf den Asphalt zu schauen.
Was lernst du gerade, was du noch nicht kannst?
Mich zu strukturieren.
„Nächster Halt: Leipzig/Halle Flughafen. Ausstieg in Fahrtrichtung rechts.“
Was inspiriert dich?
Ich schaue viel auf das japanische Porzellan und das skandinavische Design. Daher hole ich mir meine Inspiration. Ich selbst komme ja aus dem Norden und habe daher auch eine Affinität zu schlichten und einfachen Formen. Es inspiriert mich zum Beispiel aber auch Musik. Ich finde Formen haben auch etwas mit Tönen zu tun und gewisse Formen haben einen Klang. Natürlich sind auch Architektur und andere Gewerke im Interieur-Bereich wichtig für mich, genauso wie Fotografie, Malerei, Literatur und alles, was mit bildnerischem Leben zu tun hat. Inspirierend sind für mich manchmal aber auch Biographien von Persönlichkeiten. Indem man sich mit anderen Biographien beschäftigt, findet man gut zu sich selbst. Ansonsten schaue ich auch auf Trends in der Küche und internationalen Kochkunst. Wie wird gerade gekocht? Welches Geschirr wird verwendet?
Was bedeutet dir Leipzig als Standort?
Leipzig ist eine junge, lebendige Stadt, die kulturell sehr dicht ist und in der sehr viel passiert. Mitteldeutschland ist für mich auch ganz praktisch gesehen ein guter, zentraler Standort, denn ich bin auf vielen Märkten und Messen in ganz Deutschland unterwegs und komme von Leipzig aus gut überall hin.
Was wünschst du dir für die Zukunft?
Ich wünsche mir, dass ich noch lange mein Porzellan machen und damit viele Menschen erreichen kann.