Ein Gespräch mit den Glücksforscherinnen Saskia Rudolph und Andrea Horn aus Dresden
Ich gebe es zu: beim Blick aus dem Fenster fällt es mir aktuell schwer, keine schlechte Laune zu bekommen: grau in grau, kalter Nieselregen und die Sonne hat sich anscheinend dazu entschlossen, den Winter lieber an einem anderen Ort zu verbringen. Ihr hinterher zu reisen ist leider keine Option und sich in den Winterschlaf zu verabschieden, ist bisher nur ausgewählten Tierarten vergönnt. Meine Motivation und Stimmung muss in den nächsten Wochen also eine andere Möglichkeit zur Steigerung finden. Wie passend, dass ich heute mit zwei selbsternannten Glücksforscherinnen verabredet bin.
Saskia Rudolph und Andrea Horn können mir sicher ein paar gute Tipps geben, wie ich dem Winterblues vorbeugen kann. Die beiden Dresdnerinnen arbeiten in der angewandten „Wohlbefindensforschung“. Das heißt, sie möchten nicht nur schauen was krankmacht oder hilft wieder gesund zu werden, sondern was uns rüstet psychisch gesund zu bleiben und glücklich und zufrieden unser Leben leben zu können. Die beiden haben zwar nicht das eine, ultimative Glücksrezept in petto, begeben sich aber auf die Suche nach den Dingen, die für jeden einzelnen wichtig sind. Ihr Wissen vermitteln sie in Workshops, Seminaren, ihrem eigenen Magazin und nun auch mir bei unserer gemeinsamen Bahnfahrt.
„Achtung, Einfahrt Regional-Express nach Leipzig Hauptbahnhof auf Gleis 10!“
Was ist Glück?
Andrea: Es gibt keine einheitliche Definition, aber man kann verschiedene Bereiche definieren, aus denn wir das Glück ziehen. Zum Beispiel das Glück eines Zufalls, wie ein Lottogewinn, oder das Glück des Momentes, denn in jedem Tag schlummern kleine Ereignisse, die wir genießen können, zum Beispiel alles, was, mit Genuss und Achtsamkeit zu tun hat. Wenn sich diese Momente aneinanderreihen, haben wir das Glück der Fülle. Dann gibt es noch das Glück der Selbstüberwindung. Mutig sein und Dinge schaffen, von denen man dachte, man bekommt sie nicht hin, zum Beispiel die Steuererklärung, macht sehr glücklich. Der fünfte und wichtigste Bereich ist das Glück der Gemeinschaft, denn alleine ist Glück fast gar nicht findbar. Es braucht immer andere Menschen und gute Beziehungen, um Zufriedenheit zu erlangen. Tatsächlich sprechen wir aber weniger von Glück, sondern vielmehr von Wohlbefinden und Zufriedenheit. Wir sind die Verfechter der kleinen Momente, denn nicht jeder Tag kann große Glücksereignisse bereithalten. Aber in jedem Tag kann etwas kleines Gutes schlummern.
Warum ist für manche Menschen das Glas immer halbvoll, während es für andere halbleer ist?
Saskia: Die positiven Psychologen haben sich damit beschäftigt, wo das Glück eigentlich herkommt und herausgefunden, dass 50% in den Genen liegen. Es gibt also die Optimisten und die Pessimisten von Geburt an. Diesen Teil können wir nicht beeinflussen. Dann gibt es die Dinge, die uns im Leben widerfahren, die aber gar nicht so einen langfristigen Einfluss haben auf unser Glück. Die Lottogewinner sind nach einem halben Jahr genauso unglücklich oder glücklich wie vorher, genauso viele Menschen, die einen schweren Schicksalsschlag erleben mussten. Die äußeren Umstände machen daher nur 10% aus. Ganze 40% haben wir selbst in der Hand. Wir können verändern, was wir selbst tun, Verantwortung übernehmen und gut für uns sorgen.
„Nächster Halt: Coswig. Ausstieg in Fahrtrichtung links.“
Was kann ich tun, um dem Winterblues vorzubeugen?
Andrea: Wir können beeinflussen, wie es uns geht, indem wir etwas tun, das uns aufmuntert. Wenn wir an einem grauen Wintertag noch die Vorhänge zuziehen und traurige Musik auflegen und grübeln, was wir falsch gemacht haben im Leben, dann wird es vermutlich kein schöner Tag. Wenn wir uns aber jemanden zum Kaffee einladen und stimmungsvolle Musik auflegen, dann wird es auf jeden Fall besser. Wir sollten uns auch überlegen, was der Winter Schönes bietet. Heimelichkeit, in die Sauna gehen, der Weihnachtsmarkt, das Kuscheln. Die Dinge, die im Winter mehr Spaß machen als im Sommer sollten wir bewusster erleben und zelebrieren.
Was bedeutet Erfolg für Euch?
Saskia: Erfolg ist für uns, dass wir jeden Tags auf Neue entscheiden dürfen mit wem wir uns umgeben und das wir selbstbestimmt arbeiten können. Wir sind unabhängig von Leuten, die uns anweisen, sondern können selbst entscheiden, was wir tun. Dazu gehören auch manchmal schwere Zeiten, in denen es anstrengend ist. Aber auch diese wurden von uns freiwillig gewählt, weil wir es für uns tun. Wir haben die Freiheit, das zu tun, was wir gerne möchten. Wir haben uns unseren Job selbst ausgedacht und es ist ein großes Privileg, das beruflich machen zu können, was wir auch leben.
Andrea: Unser Credo ist: Wir werden die Welt im Großen nicht ändern, aber zumindest in der kleinen Welt, in der wir leben, Menschen inspirieren und mit unseren Ideen anstecken. Das ist Erfolg für uns.
Welchen Rat gebt Ihr Eurem 18-jährigen ich?
Mach einfach, es wird schon! Mach dir nicht so viele Gedanken, dass du eine falsche Entscheidung treffen könntest. Wenn es nicht klappt, machst du es eben später anders.
„Nächster Halt: Glaubitz bei Riesa. Ausstieg in Fahrtrichtung links.“
Warum sollten die Menschen öfter Zug fahren?
Saskia: Man kann spannende und ganz unterschiedliche Menschen treffen und immer auch lustigen Gesprächen lauschen.
Andrea: Für mich ist es Freizeit. Ich lese ein Buch oder höre Musik und kann einfach abschalten. Ich muss mich nicht auf den Verkehr konzentrieren und es ist außerdem besser für die Umwelt, wenn alle ein Gefährt nutzen, statt einzeln mit dem Auto zu fahren.
Eure Lieblingsstadt?
Saskia: Leipzig oder etwas ferner Stockholm.
Andrea: Ich mag Dresden.
Mit wem würdet Ihr gern mal einen Kaffee trinken?
Saskia: Mit TV-Moderator Ralph Caspers.
Andrea: Mit meiner Oma.
Was kocht Ihr, wenn Ihr Besuch habt?
Saskia: Kommt darauf an, wer kommt.
Andrea: Ein Gericht aus meinem letzten Urlaub.
„Nächster Halt: Wurzen. Ausstieg in Fahrtrichtung rechts.“
Die Spiegelneuronen in drei Worten?
Beide: Mut tut gut.
Worauf seid Ihr stolz?
Saskia: Auf die vielen spannenden Menschen, die wir dank der Spiegelneuronen schon kennenlernen durften.
Andrea: Dass wir das leben können, wovon wir die ganze Zeit erzählen.
Was könnt Ihr gar nicht?
Saskia: Schweigen.
Andrea: Zeichnen.
Das letzte Wort…
Saskia: Sollte immer ein freundliches sein.
Andrea: …muss nicht das letzte bleiben.