Eine Zugfahrt mit Natalie und Andre von den FuckUp Nights Leipzig

Im Gespräch mit den Organisatoren der FuckUp Nights Leipzig

Hand auf’s Herz: Wer spricht schon gern über das Scheitern, seine persönlichen und beruflichen Misserfolge und die Dinge, die im eigenen Leben so überhaupt nicht funktionieren wollen? Die überraschende Antwort: eine ganze Menge Menschen tun es, und das auch noch auf großer Bühne vor einem Publikum, in dem zum Teil um die 500 Menschen sitzen und gespannt den persönlichen Verfehlungen folgen.

Und das ist auch gut so, denn Scheitern ist nichts Schlimmes. Im Gegenteil: es gehört zum Leben wie Sommer, Sonne und Himbeereis. Kein Mensch ist perfekt und die Fähigkeit aus unseren und den Fehlern anderer zu Lernen ist eine fantastische Möglichkeit, auch in schwierigen Situationen den Mut nicht zu verlieren.

Genau darum geht es auch bei den FuckUp Nights Leipzig. Seit mittlerweile drei Jahren organisieren Natalie Bekel und Andre Nikolski Veranstaltungen bei denen Menschen ihre Geschichten vom Scheitern erzählen und mit dem Publikum ihre Erfahrungen teilen. Im Zug auf dem Weg nach Leipzig erzählen mir die beiden, warum sie das Projekt in Leipzig gestartet haben und weshalb es wichtig ist über das Scheitern zu sprechen.

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Unterwegs mit Natalie und André von den FuckUp Nights Leipzig (Bilder: Anne Schwerin).
Warum ist es wichtig über das Scheitern zu sprechen?

Andre: Ich denke man kann genauso viel, wenn nicht sogar viel mehr, aus dem Scheitern lernen als aus Dingen, die perfekt laufen. Wenn man Risiken eingeht und sich selbst erlaubt zu scheitern, dann greift man viel höher und geht viel mehr Projekte ein. Scheitern ist Teil eines Prozesses, den man bereit sein muss einzugehen.

„Scheitern ist Teil eines Prozesses, den man bereit sein muss einzugehen.“

Natalie: Scheitern hat eine sehr negative Bedeutung und wird als etwas ganz, ganz Schlimmes angesehen. Ich sage nicht, dass Scheitern etwas Gutes und Tolles ist, aber ich denke man kann der Sache die Schwere nehmen, wenn man mehr darüber spricht.

Würdet Ihr sagen, dass die Angst vor dem Scheitern typisch deutsch ist oder ist es in anderen Ländern ähnlich schlimm?

Andre: Das Thema Scheitern ist ein internationales Phänomen und natürlich in allen Ländern präsent. Allein an den FuckUp Nights selber, die mittlerweile weltweit in über 200 Städten stattfinden, kann man das erkennen. Deutschland nimmt eine spezielle Position ein, da Deutschland so ziemlich das einzige Land ist, dass ein soziales Netz hat, welches einen beim Scheitern wieder auffängt und beispielsweise in Form von Arbeitslosengeld Hilfestellung gibt.

„Viele sind nach dem Scheitern erfolgreicher, als sie es vorher waren, da Misserfolg zu einem Prozess gehört.“

Gibt es etwas, was Ihr einem jungen StartUp raten würdet, um den Gründern die Hemmungen und die Angst vor dem Misserfolg zu nehmen?

Andre: Wir hatten Gründer auf der Bühne, die so ziemlich alles erlebt haben, die gleichzeitig beruflich, privat und gesundheitlich am Boden lagen und teilweise so tief gefallen sind, dass sie jetzt andere Unternehmen in jeder Hinsicht beraten können. Egal, mit welchen Problemen die Unternehmer auf diese Menschen zukommen, sie können sich in alles einfühlen, denn schlimmer als ihr Fall kann es nicht sein. Man hat eigentlich immer Probleme, sei es privat oder beruflich. Manchmal ist es peinlich, über seine Probleme zu reden, aber sobald man feststellt, dass der Gegenüber schon viel schlimmere Dinge durchlebt hat und aus einem viel tieferen Loch wieder raus gekommen ist, dann gibt es einem Kraft und das Gefühl, dass es schon irgendwie weitergehen wird. Viele sind nach dem Scheitern erfolgreicher, als sie es vorher waren, da Misserfolg zu einem Prozess gehört.

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Wer sollte als Besucher zu den FuckUp Nights kommen?

Natalie: Am Liebsten alle, aber am Spannendsten ist es natürlich für Gründer, die sich dort Mut und Motivation abholen können. Ich wünsche mir aber auch, dass ein Mensch aus der Stadtverwaltung vorbeikommt oder jemand mit einem simplen Bürojob, weil einfach alle etwas daraus lernen können.

Wonach wählt Ihr Eure Speaker aus?

Andre: Wir suchen oft nach lokalen Leipziger Projekten und nach Menschen, die viele Erfahrungen aus dem ganzen Prozess mitgenommen haben und sich nicht auf die Bühne stellen und anderen die Schuld für ihr Scheitern geben.

Gab es bei Euch selbst innerhalb der letzten 3 Jahre einen „FuckUp“ innerhalb der FuckUp Nights?

Andre: Das auf jeden Fall! Ich bin zum Beispiel jemand, der es schafft sich unmittelbar vor der Veranstaltung beim Fußball den Knöchel zu verstauchen, bei 4 Veranstaltungen konnte ich wegen diverser Gründe nicht dabei sein und eine Open Air Veranstaltung mussten wir bei über 200 verkauften Tickets kurzfristig komplett absagen, weil das wahrscheinlich einzige Unwetter weltweit sich an diesem Tag genau über unserer Location befand.

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Wie lief die erste FuckUp Night?

Andre: Die Veranstaltung fand damals mit ca. 60 Leuten bei Natalie im Büro statt. Wir haben bemerkt, dass sich zu viele Leute ein Ticket geholt haben und wir gar nicht alle unterbringen können. Also haben wir spontan per Livestream Public Viewing nach draußen auf die Straße organisiert. Von da an sind wir stetig gewachsen.

Wie viele Veranstaltungen gab es bis jetzt und wie viele Besucher sind es im Durchschnitt?

Natalie: Bis jetzt gab es 30 Veranstaltungen. Am Anfang waren es 60-70 Besucher, unser Rekord liegt mittlerweile bei 500.

Warum sollten die Menschen mehr Zug fahren?

Natalie: Ich habe im Zug immer sehr coole Begegnungen. Ich setze mich gerne auf einen Viererplatz, weil man dort mit mehr Menschen zusammentrifft und dort habe ich schon mit vielen Fremden sehr interessante und spannende Gespräche geführt.

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Was andere Menschen antreibt, ihre Geschichten und persönlichen Erfahrungen, besonders von GründerInnen, interessieren Francis am Meisten. Auf LAYERS findet ihr daher zahlreiche Interviews mit spannenden Persönlichkeiten. Außerdem stellt euch Francis regelmäßig Designfavoriten, Kulturnews und Lieblingsorte vor.

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