Heike Mueller ist Inhaberin der Leipziger Boutique „Saxony ducks“. Sie berichtet, was Mut und Hingabe für sie bedeuten, und warum der wache Blick ihres kleinen Sohns ihre Perspektive verändert hat.
„Mama, kann ich die haben?“ ruft es aus dem Verkaufsraum meines Modegeschäftes. Mein kleiner Sohn kramt gerade in den Schubfächern eines Verkaufsschranks. In den Schubladen sind Knöpfe, Garne, Perlen. Kleinzeug, das ich für meine Arbeit als Designerin und Schneiderin benötige. Ich komme aus meiner Werkstatt herübergelaufen und muss jetzt entscheiden, ist das ein wertvoller alter Steinnussknopf, den ich eventuell für eine Jacke benötige, und von dem ich nur noch fünf Stück habe, oder überlasse ich ihn meinem Kind als Spielzeug.
Der kleine Mann ist sieben Jahre alt und in diesem Sommer in die Schule gekommen. Er ist mein zweites Baby.
„Mein erstes Baby ist mein Modelabel ,Saxony ducks‘.“
Von der heimischen Küche zur eigenen Boutique
Seit 2011 bin ich damit selbstständig, habe in der heimischen Küche angefangen, hatte ein Atelier in der Leipziger Baumwollspinnerei und arbeite seit Dezember 2020 in meinem eigenen Laden in Plagwitz. Es kamen Corona, Lockdowns, die Krise im Einzelhandel. Die Konflikte der Welt hielten Einzug auch in mein Geschäftsmodell, in unseren Alltag, in unser Familienleben. Unternehmerin sein, bedeutet mutig sein – Risikobereitschaft haben in unkalkulierbaren Zeiten.
Die neuen und die täglichen Herausforderungen, die ich als Selbständige erlebe, werden gekreuzt von den Alltagsfragen. Mein Sohn erlebt viele Themen hautnah mit. Wie bekomme ich die Stoffe aus England geliefert, was seit dem Brexit komplizierter geworden ist? Wie begegne ich Kunden, die in meinem Onlineshop bestellt haben, aber nicht bezahlen? Wie organisiere ich, dass ich meinen Laden samstags geöffnet habe, wenn das eigentlich unser Familientag ist?
Alte Werte und neue Fragen
Es ist aber auch die Gelegenheit meinem Sohn Werte zu vermitteln, z. B. warum Billigprodukte aus Asien nicht in meinem Laden angeboten werden. Er lernt in meiner Werkstatt nicht nur den Umgang mit Materialien, sondern auch schon früh, den Wert hoher Qualität von Dingen geringerer zu unterscheiden.
„Mein Sohn bekommt mit, warum es ökologisch und ökonomisch problematisch ist, sich Kleidung liefern zu lassen, um sie dann einfach wieder zurückzuschicken. Das ist sein Privileg.“
Das Modelabel ist meine Erfüllung und es ist wunderbar, das mit dem Muttersein in Einklang bringen zu können. Ich kann meine Kreativität ausleben, und trotzdem zu 100 Prozent für mein Kind da sein. Wenn mein kleiner Junge in meinem Atelier ist, mich beim Kundenkontakt beobachtet, stellt er mir Fragen, auf die Erwachsene gar nicht kommen würden.
„Mein Sohn hilft mir, die Dinge mit Kinderaugen zu sehen.“
Das ist großartig. Die Herausforderungen werden steigen, für mein Modelabel, und erst recht im Privatleben. Seit Kurzem müssen wir gemeinsam Schulaufgaben machen, und trotzdem soll die neue Saisonwaren in die Auslage. Seine Freizeithobbys werden kostenaufwändiger werden und mir muss es gleichzeitig gelingen, die steigenden Produktionskosten im Rahmen zu halten.
Die Schubladen mit den Knöpfen werden bleiben. Für meine Produktion und als Spielzeug für mein Kind.
Dieser Beitrag ist Teil des Ausstellungsprojektes MAMA MAGMA von unserer Kolumnistin Anne Schwerin über Frauen, die Unternehmerinnen bzw. Selbständige und Mamas sind. Im Mittelpunkt des Projektes steht die Frage, wie die Erfahrung der Mutterschaft unternehmerisches Handeln transformiert. Alle Bilder der Ausstellung sind vom 21. August bis 15. November 2024 frei zugänglich im Foyer der IHK zu Leipzig zu sehen. Zu den Beiträgen der weiteren Frauen geht es hier.