Wir stellen vor: Miriam Dovermann
Vor anderthalb Jahren lernten wir beim Kaufhaus Pomp in Leipzig eine junge Dame kennen, die uns stolz die erste Ausgabe ihres neuen, selbst kreierten Magazins für Vintage Kultur präsentierte. Wir waren begeistert vom individuellen Konzept und zugleich leicht skeptisch, ob sich das auf lange Sicht halten könnte, da wir wussten wie viele tolle Zeitschriften in den letzten Jahren aus Kostengründen eingestampft wurden und wir uns nur vorstellen konnten, wie schwer es sein muss, ein gänzlich neues Magazin für eine vergleichsweise kleine Zielgruppe am Markt zu etablieren.
Um so mehr freuen wir uns nun, dass mittlerweile die 9. Ausgabe des Vintage Flaneurs erschienen ist, das Magazin sich erfolgreich in Deutschland und Österreich verkauft und sich einer großen Fangemeinde erfreuen kann! Grund genug uns endlich noch einmal mit der Herausgeberin und inzwischen jungen Mutter Miriam Dovermann über ihr Herzensprojekt zu unterhalten. Im Interview erzählt uns Miriam wie das Projekt entstanden ist, was sie an vergangenen Zeiten besonders fasziniert und wie sie es geschafft hat ohne großen Verlag im Rücken, ein ganzes Magazin erfolgreich zu launchen.
Miriam, für alle die Dein Magazin noch nicht kennen: Was genau ist der Vintage Flaneur und womit beschäftigt ihr Euch inhaltlich?
Der Vintage Flaneur ist ein Fashion & Lifestyle Printmagazin mit einer Portion Nostalgie. Wir sehen uns insofern zwar als special interest-, weniger aber als Nischenprodukt: Wir bauen den Flaneur so auf, dass er sowohl Menschen, die schon lange Vintage leben und lieben Spaß macht, als auch Menschen inspiriert, die ganz neu auf der Suche nach Strömungen sind, die ihrem Leben Positives geben können oder die sich schlicht von dem nostalgischen Stil angesprochen fühlen. Dementsprechend breit stellen wir uns auf. Dazu widmen wir etwa die Hälfte des Flaneurs den Themen des Lebens, die es äußerlich schön machen (Mode, Frisuren, Makeup, DIY, Kochen etc.) und die andere Hälfte dem, was uns von Innen schön macht, also Kultur, Ausstellungen, Literatur, Film, Musik, Architektur, Bildung, Veranstaltungen.
Seit wann gibt es den Vintage Flaneur und wie kam es zu dessen Entstehung?
Mit der Ende August 2014 erschienenen 6. Ausgabe feierten wir unser 1-järiges – gegründet haben wir etwa ein halbes Jahr vor Erscheinen der 1. Ausgabe im September 2013, also im April 2013. Dazu gekommen ist es eigentlich aus persönlichem Bedarf: Uns hat selber eine solche Zeitschrift gefehlt, gleichzeitig ließ sich der Trend zum Vintage Lifestyle nicht übersehen (man denke nur an den Aufschwung des Elektroswing). Auch der Erfolg derartig gelagerter Zeitschriften im Ausland überzeugte uns davon, dieses Herzblutprojekt in Angriff zu nehmen.
Eine schwierige Frage auf die ich nur eine Antwort geben kann, die viele überraschen wird: Am meisten fasziniert mich persönlich unsere eigene Zeit, die so viele Umbrüche und Neuerungen beinhaltet. Sie bietet so viele Möglichkeiten und ist doch zeitgleich so schwierig zu bewältigen, dass wir uns nach einer einfacheren Zeit sehnen, in der alles noch persönlicher und menschlicher zu sein schien (sicher manches Mal nur vermeintlich). Ansonsten gehe ich mit allen Jahrzehnten gleich um: Sowohl vor Glorifizierungen als auch vor Verteufelungen sollte man sich hüten, das sind eigentlich immer zu einfache Wege. Interessant sind doch letzten Endes nicht die einzelnen Ausschnitte einer Zeit, sondern die Linien und Entwicklungen, die sich durch die Jahrzehnte hinweg gegenseitig bedingen und beobachten lassen – da wird es richtig spannend, wenn es um Zusammenhänge geht. Wenn es nun rein um die Optik geht, kann ich es euch aber einfacher machen: Ich schätze die femininen Schnitte der 40er und den exotischen Glamour der 20er Jahre, allerdings finde ich auch in Vielem was mir das moderne Leben bietet Schönes. Mein ganz persönliches Interessengebiet endet so ab den 70ern, ich schätze, ich kann dort Musik und Optik nicht genug abgewinnen.
Wie viele Ausgaben sind schon erschienen und wo kann man diese erwerben?
Vom Vintage Flaneur sind 9 Ausgaben erschienen. Meistens sind sie relativ schnell vergriffen. Alles, was es noch gibt, kann man online erwerben, inzwischen auch im Abo. Die jeweils aktuelle Ausgabe gibt es deutschlandweit im Bahnhofs- und Flughafenbuchhandel zu kaufen (allerdings ist der Flaneur auch da immer wieder vergriffen). Außerdem verkaufen uns einige, meist zur „Szene“ gehörige Läden. Mittlerweile ist der Vintage Flaneur auch in Österreich im Handel erhältlich und wir arbeiten daran, unsere Verkaufsstellen in Deutschland zu vermehren und unseren Vertrieb auf die Schweiz auszudehnen.
War es schwierig ein Nischen-Magazin auf den Markt zu bringen?
Ich glaube, etwas aus dem Nichts zu erschaffen und auf den Markt zu bringen ist immer schwierig, v.a. wenn man nicht vorher im Lotto gewonnen hat. Es ist ein großer organisatorischer und finanzieller Aufwand, der einem persönlich wie beruflich viel abverlangt – aber es ist auch eine wundervolle und dankbare Arbeit, die einen sehr zufriedenstellt.
Wie viele Mitarbeiter arbeiten an einer Ausgabe? Wie lange dauert die Entstehung und was macht Dir dabei am meisten Spaß?
Da muss ich schätzen, das variiert.. Wir sind ein festes Team von vier Menschen und einem Hündchen: Frank Duijm, mein Partner, Dina Hanse, unsere Grafikdesignerin, Isabeau Peter, unsere Redaktionsassistenz, Finchen der Redaktionshund und eben ich. Dazu kommen in jeder Ausgabe rund 20 Autoren (und mehr), Fotografen, Visagisten, Models, Helfer, da kommt einiges zusammen. Der Vintage Flaneur braucht im Moment um die 2 Monate, nach denen er jeweils erscheint, gut als Entstehungszeit. Was macht mir am meisten Spaß? Diese Frage ist einfach: Die Arbeit mit den Menschen. Seien es die Fotoshootings, die Geschäftskontakte, der Kontakt zu unseren wundervollen Lesern, den wir uns Mühe geben eng zu halten – ich hätte ohne den Vintage Flaneur die allerwenigsten von ihnen kennengelernt. Ich höre so viele Geschichten, bekomme kleine Einblicke in andere Leben, bekomme Feedback unterschiedlichster Art, erlebe Schönes und Unschönes und jedes Mal habe ich das Gefühl, daran zu wachsen. Abgesehen davon machen das kreative Arbeiten und die Möglichkeit, sich selber zu verwirklichen, mir große Freude.
Was rätst Du Jungunternehmern oder jungen Menschen, die sich selbstständig machen wollen?
Ok, das ist wieder schwieriger. Ich würde ihnen raten, sich absolut darüber im Klaren zu sein, dass es wahnsinnig viel harte Arbeit und auch persönliches Zurückstecken bedeutet, sich selbstständig zu machen. Der alte Spruch, selbstständig sei man selbst und ständig, ist wirklich mehr als wahr. Finde deine Schwachpunkte und suche dir Leute, die deine Schwächen ausgleichen – alleine ist man nicht erfolgreich, bilde ein erfolgversprechendes Team. Suche auch Rat von Außen, bei der Familie, den Wirtschaftsförderungen, der IHK, sicher dich ab so gut es geht, dass deine Gedanken Sinn machen (man merkt, ich bin gar kein besonders tollkühner Typ Mensch) und nicht an der Realität zerbrechen müssen. Wenn du dir dann in dem was du tust sicher bist und dich abgesichert hast, dass es ganz objektiv Zukunftsoptionen für dein Projekt gibt: Glaube an dich und deine Idee und lass dich von Rückschlägen und Miesmachern nicht unterkriegen. Die wird es immer geben. Aber wenn du weißt, dass deine Pläne Sinn machen, dann weißt du auch, dass es für so ziemlich jedes Problem auch Lösungen gibt.
Vielen Dank liebe Miriam für Deine inspirierenden Worte! Wir wünschen Dir weiterhin viel Erfolg mit Deinem Herzensprojekt, dem Vintage Flaneur!
Isabell
Ich habe eine Frage und zwar werden die vergriffenen Zeitschriften im Internet Shop wieder nachgefüllt bzw werden sie wieder aufgestockt?