Ein Gespräch mit Katja Schirmer von der Kreativen Cocktailwerkstatt
Meine erste Bahnfahrt im neuen Jahr ist ebenso spontan und unterhaltsam wie die Person, die mich diesmal begleitet. Spirituosen-Expertin Katja Schirmer aus Leipzig erscheint am verabredeten Treffpunkt am Hauptbahnhof bestens gelaunt und nicht ohne ihre volle Barkeeper-Ausrüstung im Schlepptau. Was sie damit vor hat? Na Cocktails mixen! In der S2? Warum nicht? Schließlich können wir nicht eine Zugfahrt lang nur über köstliche Drinks sprechen und dabei keinen probieren. Die Dinge gleich anzupacken und kreative Visionen in die Tat umzusetzen, sieht Katja ähnlich. 17 Jahre hat sie Erfahrung als Barkeeperin gesammelt, reiste einmal um die Welt und landete vor knapp vier Jahren wieder in ihrer Heimatstadt Leipzig, wo sie die Kreative Cocktailwerkstatt gründete. Auf unserer Fahrt nach Dessau erfahre ich, was es mit Katjas Charaktercocktails auf sich hat und warum Alkohol nicht nur schlecht für die Gesundheit ist, sondern auch heilen kann. Cheers!
„Achtung, Einfahrt S2 nach Dessau Hauptbahnhof auf Gleis 2!“
Katja, was sind Charaktercocktails?
Das ist ein Konzept, das ich in den letzten acht Jahren entwickelt habe. Ich verbinde dabei Cocktails mit Emotionen und Energien und gehe wieder zur eigentlichen Wurzel der Spirituose zurück – der Heilung. Ich habe verschiedene Spirituosen auf die sieben Energiepunkt unseres Körpers, auch Chakren genannt, aufgeteilt. Zum Beispiel zum Herz-Chakra, welches im Mittelpunkt unserer Brust sitzt, gehört der Gin. Gin besteht aus verschiedenen Kräutern und Gewürzen, deren Heilkräfte sich auch in der fertigen Spirituose wiederfinden. Er ist daher perfekt geeignet für eine Öffnung und Heilung des Herzens und hilft einem, Dinge auszusprechen, die man sich zuvor vielleicht nicht getraut hat.
Wie findest Du heraus, welche Spirituose zu welchem Menschen passt?
Ich erkläre meinem Gegenüber zuerst die sieben Spirituosen und wofür sie stehen. Kurz gesagt steht Wermut für die Verwurzelung, Rum für Sexualität und Kreativität, Whiskey für die Leidenschaft, Gin für Wahrheit, Wodka für Klarheit, Tequila für das Bewusstsein und Champagner für Spiritualität. Meist findet sich die Person schon während wir darüber sprechen in einem der Bereiche wieder. Ansonsten begeben wir uns noch mit einer geleiteten Meditation auf die Gefühlsebene und finden heraus, was in diesem Moment das Richtige ist und sich gut anfühlt. Steht die Spirituose einmal fest, entwickle ich damit den jeweiligen Drink mit weiteren Kräutern, Gewürzen und Infusionen, sodass ein ganz persönlicher Cocktail entsteht.
„Nächster Halt: Delitzsch. Ausstieg in Fahrtrichtung links.“
Was reagieren die Menschen, wenn sie ihren persönlichen Cocktail trinken?
Es geht vor allem um Emotionen und Energien. Wenn ich den Drink mixe, gebe ich auch meine eigene Energie dazu. Was mit dem Herzen und mit Leidenschaft gemacht wird, schmeckt man auch. Es können dann die unterschiedlichsten Dinge passieren. Entweder die Menschen werden ganz redselig und sprechen sich ihren Kummer, der sie blockiert von der Seele oder sie werden schweigsam und gehen in sich oder es kommt ihnen eine besondere Idee, auf die sie schon lange gewartet haben. Die Drinks sind wie ein Werkzeug zum Blockaden lösen und helfen, sein wahres Ich zu befreien.
Was wünschst Du Dir für die Zukunft?
Meine Vision ist es, den Menschen, ähnlich wie Homöopathen, zu helfen und ein Barstudio zu haben, in das ich Gäste einladen und mit ihnen reden kann und über den Drink als Werkzeug an etwas komme, das wir gemeinsam auflösen können. Angst, Wut, Freude, Trauer – was auch immer da steckt. Ich möchte zum einen den Menschen helfen, zum anderen aber auch die Spirituose wieder in ein besseres Licht rücken. Überall hören wir, dass Alkohol schlecht und nicht gut für die Gesundheit ist. Aber, wenn wir wissen, wie wir ihn bewusst und in Maßen einsetzen können, kann er absolut bereichern.
Welcher ist Dein Lieblingscocktail?
Je nach meiner Stimmung, sind das verschiedene. Wenn ich zum Beispiel zu viele Gedanken in mir habe, mich erden und „runter kommen“ möchte, trinke ich unglaublich gerne Wermut oder Cognac. Ein Kir Royal erfrischt mich, Gin Tonic mag ich auch sehr.
„Nächster Halt: Wolfen Bitterfeld. Ausstieg in Fahrtrichtung links.“
Welche Trends siehst Du 2018 in den Bars?
Definitiv werden die sogenannten Emotion Drinks immer mehr kommen. Wir sehen das an verschiedenen Firmen, die damit schon arbeiten. Es geht viel um Farben und darum, wie der Gast sich fühlt. Gin ist weiterhin ein Trend. Ich persönlich tippe außerdem stark auf Rum aus der Karibik, der unterschiedlich lange gelagert wurde und sich in den nächsten Jahren weiter etablieren wird.
Was inspiriert Dich?
Ich höre sehr auf mein Gefühl und schaue was mich anspricht. Das kann alles Mögliche sein. Ich werde inspiriert von anderen Barkeepern, von Zeitschriften, Mode und Parfum. Man kann im Grunde genommen alles in Cocktails übersetzen.
Du in drei Worten?
Liebe, Passion, Harmonie.
Was lernst Du gerade, was Du noch nicht so gut kannst?
Struktur in mein Leben zu bringen. Mir liegt eher das Machen und Tun und das Spontane. Aber im Planen und Organisieren darf ich gern noch Hilfe annehmen und lernen.
Was bedeutet Erfolg für Dich?
Erfolg bedeutet für mich, das zu tun, womit ich mich wohlfühle und damit Geld zu verdienen. Es geht mir nicht um viel Geld, sondern darum, mir die Dinge zu ermöglichen, die ich gerne tue.
Du bist um die ganze Welt gereist und schließlich wieder in Deine Heimatstadt Leipzig zurückgekehrt. Ist Leipzig Deine Lieblingsstadt?
Leipzig ist wieder meine Lieblingsstadt. Ich hatte mein Herz einmal kurz verloren, sonst wäre ich vermutlich damals nicht gegangen, aber ich bin unglaublich stolz auf diese Stadt und möchte gern hier etwas erschaffen und Leipzig in die Welt hinaustragen.
„In wenigen Minuten Ankunft in Dessau Hauptbahnhof. Ausstieg in Fahrtrichtung rechts.“