Kiss & Tell Gastautor Norbert Schaal über Männermode
Was nützt der schickste Anzug, wenn der dazugehörige Stoff unbequem und von keiner guten Qualität ist? Bevor die Herren der Schöpfung ihre nächste modische Investition tätigen, lohnt es sich, sich einmal über die Eigenschaften verschiedener Anzugstoffe zu informieren. Unser Gastautor, Herren-Maßkonfektionär Norbert Schaal, klärt auf, welche Stoffe typisch sind, woran man deren Qualität und Wertigkeit erkennt und welche Möglichkeiten der Veredelung von Anzugstoffen es gibt.
Was macht einen Anzugstoff besonders? – Der kleine, feine Unterschied
Allgemein typisch und leicht verständlich spricht man häufig von einem Schurwollanzug. Vermutlich lässt die klare Umschreibung „Anzug aus Schurwolle“, bei Euch sofort ein Schaf mit seiner Wolle durch die Gedanken flitzen. Grundsätzlich stimmt dieser Gedanke auch mit der Realität überein, denn die Schurwolle für Anzüge stammt meist vom Schaf. Schurwolle selbst wird nach der Feinheit des Garns und dem Gewicht des Stoffes am laufenden Meter kategorisiert. Ihr kennt bestimmt die Bezeichnung „Super 100 S“. Genau, dieser Hinweis spricht für die Rohware und das daraus gesponnene Garn, da die enthaltene Zahl bedeutet, dass 100 Meter dieses Wollgarns 1 Gramm wiegen. Wenn man nun die Qualitätsstufe der verwendeten Schurwolle ermitteln möchte, guckt Mann in seinen Anzug und entdeckt hoffentlich eine Bezeichnung mit dem Wörtchen „Super S“. Je höher die dazu angegebene Zahl ist, desto feiner, leichter und auch zugleich wertvoller ist das verwendete Garn.
Zur Bewertung, ob ein Anzug strapazierfähiger oder gar langlebiger als ein anderer ist, kann ich Euch den Tipp geben, dass nicht nur die Feinheit des Garns entscheidet. Schaut Euch den Stoff im Ganzen an! Grundsätzlich gilt: Je fester ein Stoff, desto strapazierfähiger das daraus gefertigte Kleidungsstück.
Ihr habt nun bestimmt schon die unterschiedliche Betrachtungsweise mitbekommen, entweder auf die Feinheit geachtet oder doch eher die praktische Seite der Langlebigkeit. Entscheidet Euch bei dem nächsten Anzugkauf mit dem Hintergedanken wofür Ihr das neue Kleidungsstück nutzen wollt, wieviele Anzüge schon im Schrank hängen und ob es eher ein besonderes Stück oder für den Alltag werden soll.
Je fester ein Stoff, desto strapazierfähiger der Anzug
Nun tauchen wir in eine weitere Dimension der Anzugstoffe ein. Die Möglichkeit der Veredlung durch unterschiedliche Schurwollarten. Der kleine, feine Unterschied zu allen standardisierten Stoffen erfolgt durch eine Beimischung von Edelhaaren zur klassischen Schurwolle. Als Edelhaar bezeichnet man zum Beispiel Kaschmir, Mohair, Vikunja, Nerz, Kamelhaar, Angora und Alpaka. Hierbei werden die Eigenschaften der jeweiligen Materialien miteinander kombiniert. So können sich positive und teils auch negative Eigenschaften im Stoff auswirken. Beispielhaft kann man die Kombination aus Schurwolle und der Naturfaser Leinen betrachten: Ideal kühlend für den Sommer, nur was ist auf einmal mit den Knittern im Sakko? Ja, da wirkt sich eine vermeintlich negative Eigenschaft aus. Diese Materialkombination ist natürlich für den Sommer geeignet, aber es geht auch um Eure persönliche Überzeugung.
Wenn Ihr nun gern wissen wollt, was wohl die edelsten Materialien sind, dann dreht es sich grundsätzlich vor allem darum wie gut man an die Fasern heran kommt. Da zählt der Ausspruch „rar und knapp kann nur edel sein“, je schwerer und aufwändiger die Gewinnung ist, um so wertvoller kann man den Stoff einordnen. Die wohl edelsten Materialien sind Nerz und Vikunja. Bei dem zweitgenannten ist vor allem die Beschaffung des Materials sehr aufwändig. Vikunja kann nur alle 2 Jahre geschoren werden und die feinsten Haare werden aufwändig ausgekämmt.
Es kann keine Empfehlung für die perfekte Materialkombination schlechthin geben, meinen Favoriten kann ich daher auch nicht auf einen einzigen beschränken, da stets Anlass und auch Witterung entscheiden. Ich finde die Kombination Schurwolle mit Mohair für die warme Jahreshälfte und für Abendbekleidung in Form des Smokings ideal. Mohair unterstützt die Stabilität des Anzuges, neigt somit nicht zum Knittern und hat eine kühlende Wirkung. In den winterlichen Monaten ist der Mix von Kaschmir und Schurwolle eine richtig wirkungsvolle Kombination. Der weiche und warme Effekt von Kaschmir zeichnet natürlich den Griff solch einer Kombination aus. Ganzjährig geeignet ist die Kombination mit Seide, auch wenn es tatsächlich kein echtes Haar ist. Dafür ist der Effekt der kühlenden und auch wärmenden Seide hervorragend, edel glänzend ist dieser Stoff obendrein auch noch! Extra edel und teuer werden dann Stoffe mit Nerz und Vikunja. Wer hat, der kann..
Nun viel Freude bei der Erkundung des nächsten Anzuges! Pssst: Erfahrt mehr über Anzüge und deren Farben, den perfekten Smoking oder klassische Herrenhüte.