Wir stellen vor: Sophie Valentin aus Leipzig
Mit den Werken mancher Künstler braucht man eine Weile. Muss ihnen mehrmals begegnen, sie länger betrachten, braucht eine Zeit, um mit ihnen warm zu werden. Mit Sophie Valentins Arbeit ging es uns nicht so. Schon als sie uns beim ersten Treffen beim Austausch eines Leipziger Kreativnetzwerkes ihre Visitenkarte, die eines ihrer Fotomotive zierte, überreichte, wussten wir: we like her style!
Wenige Wochen später sahen wir uns bei unserem Design Date wieder und schnell war klar: wir wollen was zusammen machen. So schmiedeten wir den Plan gemeinsam mit Sophie, die ursprünglich aus Chemnitz kommt, die Eisenbahnstraße zu erkunden. Das Ergebnis haben wir Euch schon an dieser Stelle präsentiert. Spätestens jetzt ist es Zeit, auch Euch Sophie und ihre Arbeiten als Fotografin und Illustratorin einmal genauer vorzustellen. Im Interview haben wir erfahren woher ihre Leidenschaft für die Fotografie stammt, wen sie gern einmal vor die Linse bekommen würde und warum sie mit ihrem Skizzenblock auch schon mal mitten auf der Tanzfläche eines Festivals steht und Menschen zeichnet.
Wie bist Du zur Fotografie gekommen? Kannst Du Dich an das erste Bild erinnern, das Du selbst geschossen hast?
Meine erste analoge Kamera habe ich in der Grundschule bekommen. Ich erinnere mich, dass wir auf Klassenfahrt waren und ich habe am ersten Tag den gesamten Film mit 36 Fotos belichtet. Die Abzüge habe ich sogar noch in einer Erinnerungskiste. Man sieht allerdings nur Wald mit Rückenansichten meiner Mitschüler und ein Gruppenfoto vom Abend. Darauf sieht man die Mädels mit denen ich auf einem Zimmer war. Unsere erste Pyjamaparty. Seitdem habe ich eigentlich immer wieder eine Kamera in die Hand genommen und Momente dokumentiert. Ich habe auch echt gern alte Fotoalben meiner Eltern durchgeblättert. Ich fand es schon immer faszinierend in Erinnerungen zu schwelgen, seien es meine eigenen oder die der anderen Menschen.
„Ich fand es schon immer faszinierend in Erinnerungen zu schwelgen, seien es meine eigenen oder die anderer Menschen.“
Du hast Deinen Bachelor in Textildesign gemacht, Deinen Master in Fotografie. Wie kam es zu dem Wechsel? Welche Parallelen gibt es evtl. zwischen Textildesign und Fotografie?
Ich habe schon während meines Studiums an der Fakultät Angewandte Kunst Schneeberg viel mit Fotografie zu tun gehabt. Zum einen hatten wir Kurse im Grundstudium, zum anderen habe ich Fotos immer wieder als Inspiration oder Grundlage für meine Entwürfe benutzt. Ich habe viel Architektur, Oberflächen, Strukturen fotografiert, weil ich darin Muster gesehen habe, die man auf textile Stoffe übertragen konnte. Als ich mein Auslandssemester in Budapest verbrachte, war ich Teil der Non-Photograph Class – also alle Erasmus Studierende, die nicht Fotografie studierten. Ich glaube da hat es mich dann irgendwie so richtig begeistert. Wir hatten mehrere Aufgaben, verbunden mit der Stadt Budapest und sollten mit unseren Kameras losziehen. Mein Dozent meinte damals, es ist egal welche Kamera du hast, alles was zählt, ist dein Blick auf die Dinge. Das hatte mich damals sehr motiviert. Außerdem haben wir ein paar erste Einführungen in die Studiofotografie bekommen, was ich sehr spannend fand. Als ich dann meinen Bachelor absolvierte und mich für einen Master in Textildesign an der Burg Giebichenstein Halle bewarb, erhielt ich leider eine Absage und hatte somit ein Jahr lang Zeit zu überdenken, was mir wichtig ist und was ich eigentlich will. Ich habe mich dann eher spontan und auf gut Glück für die Masterklasse Photography beworben und eigentlich gar nicht damit gerechnet, genommen zu werden. Doch glücklicherweise kam es so und ich bin sehr dankbar dafür, dass ich 2,5 Jahre Fotografie studieren konnte.
„Es ist egal welche Kamera du hast, alles was zählt, ist dein Blick auf die Dinge.“
In Deinem Portfolio ist beides zu finden. Was fotografierst du lieber: Menschen oder Objekte? Spontan oder inszeniert?
Tatsächlich, weil es eben in meinem Portfolio wohl auch sichtbar ist, fotografiere ich beides sehr gern. Ich habe ja, wie schon erwähnt, zu Beginn viel Architektur, Objekte, Muster fotografiert, immer sehr spontan und intuitiv. Ich wollte damals nie Menschen fotografieren, weil ich es unangenehm fand, wenn sie sich unwohl vor der Kamera fühlten. Während des Masterstudiums habe ich mich dann aber plötzlich doch getraut Portraits aufzunehmen. Ich habe Freunde ins Studio eingeladen und ausprobiert. Heute finde ich beides super spannend. Vielleicht fesseln mich Menschen sogar noch ein Stückchen mehr. Ich spreche gern Menschen an, von denen ich ein Portrait machen möchte, weil ich sie interessant finde. Gleichzeitig inszeniere ich aber auch gern. Habe Ideen, entwickle Konzepte, überlege mir gern Settings, ob im Studio oder draußen. Trotzdem habe ich auch nach wie vor gern eine meiner analogen Kameras dabei, begleite meine Freunde und unsere gemeinsame Zeit oder fange alltägliche Situationen ganz spontan ein.
Hast Du ein Vorbild in Sachen Fotografie? Welche Künstler beeinflussen Dich?
Diese Frage sollte ich auch während meines Bewerbungsgesprächs zum Master beantworten. Damals war ich großer Fan von Willy Maywald. Oft passiert es, dass ich bewusst in Ausstellungen gehe, die großen Originalabzüge – und nicht die kleinen Bilder bei Google – von Fotografen sehe und plötzlich Feuer und Flamme bin. So war es zum Beispiel auch bei den Ausstellungen von Walker Evans in Arles, Irving Penn in Berlin oder Peter Lindbergh in München. Für mich große Vorbilder, weil sie so ehrlich fotografieren oder fotografierten. Das schätze ich sehr.
„Neulich stand ich beim Festival mit einem Skizzenbuch auf der Tanzfläche und habe meine Mitmenschen beim Tanzen gezeichnet.“
Du illustrierst ja auch. Wie gestaltet sich da Deine Arbeit? Ist die Idee zuerst da oder skizzierst Du einfach los?
Sowohl als auch. Tatsächlich zeichne ich oft einfach drauf los. Deshalb ist es wohl für mich auch eine Art Ausgleich. Beim Illustrieren brauche ich ein Skizzenbuch und einen Stift, keine große Ausrüstung an Technik, wochenlanges Vorbereiten von Moodboards und Konzepten oder der Nachbereitung von Bildern. Ich besuche gern Aktkurse, da zeichnet man ja auch irgendwie einfach drauf los. Außerdem zeichne ich oft meinen Alltag und meine Umgebung ohne mir große Gedanken zu machen, neulich stand ich beim Festival mit einem Skizzenbuch auf der Tanzfläche und habe meine Mitmenschen beim Tanzen gezeichnet. Manchmal erwische ich mich in der S-Bahn, wie ich mit meinem Finger auf meinem Bein Linien zeichne, wenn ich mal kein Skizzenbuch dabei habe. Andererseits gibt es auch Situationen, die ich erlebe, die dann in meinem Kopf geblieben sind, die ich anschließen, oft überspitzt, illustriere. Sehr faszinierend finde ich zum Beispiel immer wieder die Beziehungen zwischen Mensch und Smartphone.
Meine City Postkartenserie habe ich mir auch vorher gut überlegt und vorbereitet. Die Idee kam mir als ich mich 6 Wochen in Paris aufhielt und meinen Freunden und Familie selbstgezeichnete Postkarten schickte. Ich bin zu den Sehenswürdigkeiten gegangen und habe sie gezeichnet. Mittlerweile gibt es Postkarten von Chemnitzer, Hallenser, Dresdner und Leipziger Sehenswürdigkeiten, die man in kleinen Galerien, Papeterien und Museenshops kaufen kann. Oftmals steht aber auch ein Auftrag dahinter für Designagenturen oder Unternehmen, deren Weihnachtspost ich gestalte oder Privatpersonen wie Hochzeitspaare. Neulich wollte ein Freund gern ein Tattoo haben mit einer Illustration von mir. Er wünschte sich einen Dackel mit einem Ballon. Das finde ich ziemlich cool und bin schon sehr gespannt wie sich mein gezeichneter Dackel auf seinem Bein macht.
Verfolgst Du ein Ziel?
Ja, sogar mehrere. Aber ein Ziel, welches mir wirklich sehr am Herzen liegt, ist wohl die Anerkennung von Kunst und Design in der Gesellschaft. Dies versuche ich natürlich durch meine Arbeit zu vermitteln. Nur, weil wir unseren Job lieben, heißt es nicht, dass wir 24/7 und am Besten kostenlos diese Arbeit erledigen könnten. Oftmals schätzen die Menschen das kreative Denken nicht und sehen nur ein Ergebnis vorliegen und bewerten es subjektiv nach gut oder schlecht oder „das hätte ich auch gekonnt“. Das würde ich gern ändern.
Wie motivierst Du Dich, wenn Du mal nicht so gut drauf bist?
Musik, Musik, Musik, Tanzen, Tanzen, Tanzen. Wenn ich merke, dass mein Kopf voll ist, ich unmotiviert bin und gar nichts mehr weiter geht, dann hole ich mir einen Kaffee, gehe gern raus, setze mich im Clara-Zetkin-Park auf die Wiese, höre Musik und besinne mich auf den Moment. Vor allem mache ich mir dann immer klar, wie dankbar ich darüber bin, freiberuflich arbeiten zu können.
„Wenn ich könnte, würde ich gern Madonna 1990 bei den MTV Music Awards ablichten.“
Gibt es jemanden oder etwas, das Du gern einmal vor die Linse bekommen würdest?
Ich glaube ich würde gern Popstars und Musiker aus den 80ern und 90ern fotografieren. Wenn ich könnte natürlich gern „zeitreisemäßig“ zurück und Madonna 1990 bei den MTV Music Awards ablichten. Aber was auch spannend wäre, diese Stars heute zu fotografieren. Also wenn die Talking Heads morgen vor meiner Studiotür stehen würden, hätte ich natürlich nichts dagegen. Wen ich auch gern fotografiert hätte ist Egon Schiele, aber das ist ja leider nicht mehr möglich.
Dein Lieblingsort in oder um Leipzig?
Ich habe vor zwei Wochen mit meinen Mitbewohnern den Störmthaler See entdeckt. Wir haben uns gefühlt wie in Kroatien. Dort ist es herrlich und man denkt kurz, man sei im Urlaub.
Vielen Dank für das Gespräch!