Interview mit den beiden Gründerinnen Anne & Marlene
Wir freuen uns ganz besonders, Euch heute das wunderbare Projekt unserer guten Freundin Marlene und ihrer Geschäftspartnerin Anne vorstellen zu können. Wer sich für soziales Unternehmertum, Nachhaltigkeit, Lateinamerika oder Interiordesign interessiert – unbedingt lesen! Es ist so spannend, was die beiden da auf die Beine gestellt haben!
Doch bevor wir in die Tiefe gehen, die wichtigste Info vorab: Gerade lief das Crowdfunding-Projekt von Anne und Marlene an, das wir sehr gern unterstützen möchten und Euch daher ans Herz legen, auch mitzumachen. Alle Infos erfahrt Ihr auf Kickstarter. Support those girls!
Nun aber viel Vergnügen mit dem Interview und tollen Bildern aus Guatemala!
Woher kennt Ihr Euch?
Vom Tourismus Studium in Wernigerode zwischen 2005 und 2009. Anne ist in Jena aufgewachsen, Marlene in Leipzig
Was verbirgt sich hinter dem Namen Nata y Limón?
Nata y Limón ist Spanisch und steht für „Sahne & Zitrone“. Es ist ein Wortspiel mit Bezug auf unsere Persönlichkeiten als Gründerinnen und Lateinamerika.
„Der Drang, unsere Energie in etwas Sinnvolles zu stecken, wurde sehr groß.“
Wie entstand die Idee, ein soziales Unternehmen zu gründen?
2015 haben wir beide unabhängig von einander unsere Marketingjobs gekündigt. Der Drang, unsere Energie in etwas Sinnvolles zu stecken, wurde einfach sehr groß. Anne hat dann bei einem Bildungsprojekt in Costa Rica gearbeitet und Marlene bei einem Frauenprojekt in Guatemala. Hier ist auch der Ursprung zur Idee entstanden. Marlene hat dort das Leben indigener Gemeinden kennengelernt und vor allem auch die Rolle der Frau. Gleichzeitig hat sie die einmalige Textilkunst kennengelernt. Auf den ersten Blick ist es ein Farbenschauspiel, wahnsinnig komplex und einfach schön. Durch die sehr lange Textiltradition haben die Stoffe eine sehr hohe Qualität. Das hat Marlene wahnsinnig begeistert. Sie hat auch verstanden, dass es eine sehr wichtige Einkommensquelle für die Menschen vor Ort ist. Sie haben ein sehr schweres Leben, weil sie in absoluter Armut leben – insbesondere Frauen. Wir lieben beide schöne Dinge, sind total begeistert von Menschen und der Vielfalt dieser Welt, wollen etwas bewegen und lieben es, Dinge selber anzupacken. Das hat das Puzzle zusammengebracht.
Welches Konzept und welche Philosophie stecken hinter Nata y Limón?
Gemeinsam mit Designern aus Deutschland und Webkooperativen in Guatemala erarbeiten wir basierend auf der Maya Textiltradition zeitlose und moderne Stoffdesigns für den Home und Lifestyle Bereich. Stoffe und Produkte werden zu 100 % von Meisterwebern in Guatemala gewebt und vor Ort geschneidert. Wir schaffen schöne Stoffe und Produkte, die stilvoll und zeitlos sind. Wir produzieren dort, wo Handarbeit ihren Ursprung hat, Arbeit dringend notwendig ist und Menschen langfristig etwas davon haben. Wir wollen sicherstellen, dass unsere Meisterweber einen größtmöglichen Vorteil und Verdienst aus ihrer Arbeit erhalten. Deshalb lassen wir unsere Stoffe nicht nur in Guatemala in Handarbeit weben, sondern schneidern auch unsere gesamte eigene Kollektion vor Ort. Wir glauben an sozialen Wandel durch Frauen, deswegen geben wir den größtmöglichen Teil unserer Webarbeiten an Frauen. Wir begegnen unseren Partnern in Guatemala auf Augenhöhe, lernen voneinander und erarbeiten unsere Designstücke gemeinsam. Wir sehen sie nicht als Produzenten oder Dienstleister, sondern als gleichwertige Partner. In unseren Stoffen und Produkten steckt sehr viel Liebe, so wie es unsere Weberin Paula schon sagte: “Cada tejido lleva un sentimiento” (Jedes Webstück trägt ein Gefühl).
Was waren die größten Hindernisse, die Euch auf Eurem Weg begegnet sind?
Der Kampf mit sich selbst und dem Umfeld, den üblichen Weg zu verlassen und sein eigenes Ding durchzuziehen, von dem man erstmal nur alleine überzeugt ist und sonst niemand. Viele kritische Fragen und Bedenken anderer aushalten und überzeugt und motiviert bleiben, sich selbst zu vertrauen.
„Als Social Business wollen wir unseren Gewinn komplett in unsere soziale Mission reinvestieren.“
Wohin soll das Ganze gehen? Wo seht Ihr Euch in den nächsten 1-2 Jahren?
Wir wollen, dass wir für die drei Webkooperativen, mit denen wir aktuell zusammenarbeiten stabile Herstellungszyklen haben und sie dadurch Arbeit und Einkommen planen können. Das ist die wichtigste Grundlage, um Bildung für ihre Kinder zu ermöglichen und die Stellung der Familien in den indigenen Gemeinden zu stärken. Danach können wir unseren Wirkungskreis erweitern, um weitere Kooperativen in Guatemala hinzuzunehmen. Wir wollen neue Stoffmuster und Produkte entwickeln. Und selber in der Lage sein, von unserer Arbeit hier in Deutschland leben zu können. Als Social Business wollen wir unseren Gewinn komplett in unsere soziale Mission reinvestieren, dazu muss aber sichergestellt werden, dass wir beide und ein Team, das wir aufbauen, um die Mission langfristig nach vorn zu treiben, davon auch in Deutschland leben können.
„Wir sind auf unseren Mut und unsere Abenteuerlust stolz.“
Worauf seid Ihr besonders stolz?
Auf alles eigentlich! Auch darauf, dass wir nach fast zwei Jahren immer noch bei der Sache sind und wir uns einfach so reingestürzt haben. Manchmal denken wir uns, dass wenn wir das alles vorher gewusst hätten, wir den Schritt wahrscheinlich nie gewagt hätten. Im Prinzip sind wir auf unseren Mut und die Abenteuerlust stolz. Aber um noch etwas Konkreteres zu nennen: am Ende unserer letzten Guatemalareise hatten wir einen Stapel von zehn neuen Stoffmustern in der Hand, die wir selber gemeinsam mit unseren Webkooperativen entwickelt haben. Es klingt ziemlich harmlos, aber für uns war das ein riesiges Erfolgserlebnis, weil wir so lange daran gearbeitet haben und es ein Prozess war, den wir absolut unterschätzt haben, zu dem wir nach Guatemala gereist sind und sehr viel Energie investiert haben.
In Eurem Shop kann man Kissenhüllen, Decken und seit Neustem auch Hand- und Kosmetiktaschen erwerben. Könnt Ihr Euch vorstellen, in Zukunft noch mehr Produkte anzubieten und Euer Sortiment weiter auszubauen?
Auf jeden Fall. Wir hätten am liebsten mit der neuen Kollektion auch schon weitere Produkte hinzugenommen, aber das haben wir leider noch nicht geschafft. Die Entwicklung eines handgefertigten Webstücks ist sehr aufwendig und die Zusammenarbeit mit Menschen einer komplett anderen Kultur in Guatemala nicht immer so effizient, wie man das so aus Deutschland kennt. 😉 Wir wollen gern an weiteren Accessoires, wie Schals arbeiten. Ganz oben auf unserer Liste stehen auch Bezugsstoffe und bezogene Möbelstücke, wie Sessel oder Lampenschirme.
Was macht den Stil und das Design Eurer Produkte aus?
Unser Stil ist zeitlos. Wir wollen, dass sich unsere Kunden möglichst lang an unseren Stücken erfreuen und arbeiten daher mit vielen schlichten Farben und Designs, die im Kern aber immer einen besonderen Bezug zu den Farben, den typischen Symbolen oder Verzierungen der Maya Tracht und Webtradition tragen. Unsere Weberinnen und Weber sollen sich im aufwendigen Herstellungsprozess mit dem eigenen Webstück identifizieren können. Grundlage für unsere Designs sind Bilder und Textilmuster, die wir aus Guatemala mitgebracht haben.
„Wir haben uns intensiv mit vielen Bereichen des nachhaltigen Unternehmertums beschäftigt und versuchen Schritt für Schritt kleine Änderungen in unserem Lebensalltag umzusetzen.“
Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit in Eurem eigenen Leben?
Eine sehr sehr große. Die berufliche Umorientierung hat unser ganzes Leben ziemlich umgekrempelt und uns wahnsinnig zum Nachdenken bewegt. Nach unserer Zeit in Guatemala und in den ersten Monaten von Nata y Limón haben wir uns sehr intensiv mit vielen Bereichen des nachhaltigen Unternehmertums beschäftigt und versucht Schritt für Schritt kleine Änderungen in unseren Lebensalltag umzusetzen. Wir arbeiten beide auch von den Impact Hubs München und Berlin – ein Ort, in dem sich Sozialunternehmer treffen, zusammenarbeiten, co-createn und vernetzen. Das inspiriert uns tagtäglich zum Reflektieren.
Wir versuchen zum Beispiel weniger und bessere Kleidung zu kaufen. Nachdem wir von Mittelamerika zurückgekommen sind, haben wir gemerkt, in welchem Überfluss wir leben. Deswegen wurde auch erstmal ordentlich aussortiert zu Hause und geschaut, welche Sachen wirklich wichtig sind. Der Rest wurde auf dem Flohmarkt verkauft. Wir fahren fast nur Fahrrad, essen kein Fleisch. Unser Geschäftskonto ist bei der GLS Bank und Ökostrom ist klar. Wir achten sehr stark auf regionale Lebensmittel – hier geben wir gern mehr Geld für Gutes aus, als billig einzukaufen.
Ihr lebt und arbeitet in Berlin und München. Wie funktioniert eine “Fern-Geschäftsbeziehung”?
Oh ja, das ist auf jeden Fall manchmal eine sehr große Herausforderung, aber wir haben eine stimmige Balance dafür gefunden. Unsere Aufgaben sind ziemlich klar getrennt. Anne kümmert sich um das Produktdesign, Brand und Kommunikation; Marlene ist verantwortlich für die Produktionsprozesse in Guatemala sowie den Vertrieb. Das hilft, dass jeder seinen Bereich für sich aufbauen kann. Wir telefonieren fast täglich, schreiben über Whats App, haben eine Cloud Ablage und versuchen mindestens einmal pro Monat ein persönliches Meeting in Berlin oder München zu organisieren.
Was inspiriert Euch?
Anne: Ich denke es ist wichtig, Aufgaben nach einer gewissen Zeit mal liegen zu lassen und sich mit anderen Dingen zu beschäftigen, die man mag. Ich kann das schwer eingrenzen, da ich mich von vielem inspirieren lasse. Ich mag Design, also die visuellen Dinge, aber auch Philosophie und Geschichten von inspirierenden Personen.
Marlene: Die Zeit auf Reisen. Das bringt mich aus meinem Alltagstrott raus und lässt mich immer wieder vieles reflektieren. Auch weil man so andere Menschen trifft, die völlig anders denken und leben. Das inspiriert mich total!
Wie entspannt Ihr?
Anne: Auf dem Rücken liegend auf dem Balkon mit lecker Tee und Musik auf den Ohren, Wolken vorbeiziehen sehen und Vögel beobachten. Das geht leider nur im Sommer. Ansonsten auch beim Kochen und Essen oder, wenn ich mit Freunden irgendwo rumsitze und über Gott und die Welt rede. Lesen und Dokumentationen anschauen ist auch prima und entspannend.
Marlene: Natur und Aktivität. Das unheimliche Glück so nah an den Alpen zu leben, möchte ich auf keinen Fall missen. Wenn es irgendwie geht, muss ich wandern gehen oder eine Radltour machen. Wenn ich in der Stadt bin, dann mache ich gern Yoga oder springe in die kalte Isar.
Vielen lieben Dank für das Interview an Marlene und Anne! Wir wünschen beiden für die Zukunft und ihr Projekt alles Gute und freuen uns, wenn auch Ihr sie unterstützt. Weitere Infos findet Ihr regelmäßig auf der Homepage von Nata y Limón.