Selbst & Ständig – Interview mit Podcasterin Isabel Demirel
Als ich vor zwei Jahren meine Tage als frisch gebackene Mama damit verbrachte, Kinderwagen schiebend neue Schrittrekorde aufzustellen, entdeckte ich den Podcast „Hi, Baby!“. Die Journalistin und mittlerweile zweifach Mama Isabel Demirel spricht darin angenehm unaufgeregt, ehrlich und mit der nötigen Prise Humor über Themen, die wohl alle Mamas beschäftigen: Vom krassen Wochenbett über Schmerzen beim Stillen bis hin zum ersten Sex nach der Geburt nimmt sie kein Blatt vor den Mund und berichtet ziemlich offen über ihre eigenen Erfahrungen. Mir half Isas locker-ehrliche Art damals ziemlich gut über ein paar schwere Tage hinweg und ich empfehle ihren Podcast seitdem regelmäßig weiter.
Doch Isabel ist nicht nur Mama und Podcasterin, sondern seit 2021 mit genau diesem Projekt auch erfolgreich selbstständig. Mit dem „Hi Baby! Member’s Club“ ist außerdem ein weiteres Standbein hinzugekommen und Isa hat sich eine große und aktive Mama-Community aufgebaut.
Im Interview erfahrt ihr, wie Isabel als Podcasterin ihr Geld verdient, welchen Tipp sie für Verhandlungen hat und wie es zu der Entscheidung kam, sich durch ein Au-Pair Unterstützung zu holen.
Isa, als was und seit wann arbeitest du selbstständig?
Ich habe mich Anfang 2021 mit meinem Podcast „Hi, Baby!“ und dem dazugehörigen Online Community-Magazin dem „Hi Baby Club selbstständig gemacht. Davor war ich aber auch schon zwei Jahre mit meinem Podcast nebenberuflich selbstständig. Was ich übrigens sehr empfehlen kann. Man hat dann zwar nicht sofort die volle Power, um 100% in sein neues Projekt zu geben, aber mir hat die Sicherheit meines festen Gehalts echt gut getan, um mich mit dem Podcast auszuprobieren und zu schauen, wohin ich damit möchte.
Was hast du vorher gemacht?
Davor habe ich hauptberuflich für das Medienunternehmen Burda den Podcast „Oh, Baby!“ gemacht, den ich 2017 selbst entwickelt habe.
Wann stand für dich fest, dass du dich selbstständig machst und wer oder was hat dir dabei geholfen, diese Entscheidung zu treffen und es durchzuziehen?
Das wurde mir dann klar, als ich mit meinem „Hi, Baby!“-Podcast deutlich mehr verdient habe, als mit meiner 20-Stunden-die-Woche Podcast Stelle bei Burda. Ich hing zwar sehr an meinem Job und habe über ein Jahr lang versucht, mehr Geld für meine Arbeit zu bekommen, aber als das nicht klappte, habe ich mich getraut und „Ciao“ gesagt. Dabei geholfen hat mir vor allem mein Mann, der mit mir die Sache mehrmals durchging und alle Was-Wenn-Szenarien durchgespielt hat und einfach immer hinter mir stand und mir Rückenwind gab. Aber ich habe auch mit anderen Podcast-KollegInnen gesprochen, die schon länger damit selbstständig sind. Ich habe sie auch ganz offen gefragt, wie gut sie davon leben können und ob sie mir das empfehlen können. Und als dritten Part habe ich noch mit meinen Podcast-VermarkterInnen gesprochen und sie nach ihrer Einschätzung gefragt. Von allen drei Seiten hatte ich ein ganz klares GO! und dann war die Sache für mich klar.
Hattest du einen Business-Plan?
Ja. Vor allem, weil ich den Gründungszuschuss haben wollte (und auch bekommen habe, yippey!). Ich hatte aber auch zu Beginn von „Hi, Baby“ einen Plan und mir viele Gedanken vorab gemacht. Nur sah das natürlich nicht so formell aus und war auch nicht so strukturiert.
Ich bin ein sehr kreativer Mensch und das meiste passiert bei mir im Kopf und über lange Zeit im Unterbewusstsein.
Die Idee mit „Hi, Baby!“ hatte ich schon im Januar 2018. Dann habe ich die Idee in meinem Kopf arbeiten lassen und mir immer wieder Notizen gemacht. Das ging viele Monate so.
Irgendwann hatte ich dann das Gefühl: „Okay, das ist jetzt eine runde Sache.“ Ich hatte einen Namen, eine knackige Kurzbeschreibung, die ersten zehn Folgen-Titel und eine Cover-Idee im Kopf. Und dann habe ich das wieder mit meinem Mann und Podcast-FreundInnen besprochen und mir viel Feedback eingeholt. Long story short: Für mich war das ein Business-Plan, aber der klassische Plan, so wie man ihn vielleicht kennt oder wie man ihn auch googelt, den habe ich dann erst drei Jahre später für den Gründungszuschuss gemacht und der war bei weitem nicht so wichtig, wie meine wirren und unstrukturierten Notizen, die ganz zu Beginn entstanden sind.
Wie genau verdienst du Geld? Hast du einen Tipp, wenn es an das Aushandeln von Verträgen bzw. Preisen geht?
Ich habe zwei Standbeine. Das große Standbein ist Podcast-Werbung. Das kleine ist mein Hi, Baby Club, der frei von Werbung ist, für den die Club-Mitglieder aber einen kleinen monatlichen Beitrag zahlen. Mein Tipp zum Aushandeln von Preisen? Hmmm… schwer! Ich habe oft das Gefühl, dass ich darin selbst echt schlecht bin! Darum habe ich auch eine Vermarktungsagentur. Die machen das hauptberuflich und richtig professionell und bekommen dafür 30% von den Einnahmen. Das ist okay für mich, weil ich mich dann nicht darum kümmern muss. Oft kommen Firmen aber auch selbst auf mich zu und da versuche ich immer, mir selbst treu zu bleiben.
Es gibt so viele Firmen, die dich gnadenlos um deinen Preis drücken wollen.
Ganz oft sind das neue, fancy Start-ups die – im Grunde – auf kostenlose Instagram-Werbung aus sind. Ich habe mir vorgenommen nur Deals einzugehen, bei denen ich ein gutes Bauchgefühl habe und mir nicht denke: „Naja, eigentlich ist es zu wenig Geld und eigentlich finde ich das Produkt gar nicht so gut, aber besser als nix.“ Dann lehne ich lieber ab. Was übrigens ein echt gutes Gefühl ist! Und manchmal wird man dann überrascht, wenn der Kunde dann plötzlich doch einlenkt, und einen fairen Preis zahlt.
Selbstständig machen in der Elternzeit oder mit kleinem Kind: Ist das eine gute Idee? Hast du Tipps, wie es funktionieren kann?
Pauschal würde ich das nicht beantworten. Jede Mama, jedes Kind ist so wahnsinnig individuell. Wenn du als Mama das Gefühl hast, dass du das machen möchtest, dann mach es! Dann gibt es auch meiner Meinung nach keinen besseren Zeitpunkt als die Elternzeit. Auch ich habe „Hi Baby!“ in der Elternzeit gegründet, genauer gesagt, als mein Sohn sechs Monate alt war. Zuerst war mein Plan, noch im Mutterschutz zu starten. Haha! Dann kam der Mutterschutz und ich war viel zu müde dafür beziehungsweise ich habe es bevorzugt auf dem Balkon zu liegen und mir im wahrsten Sinne des Wortes die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen. Und dann kam mein Sohn und die ersten drei Monate waren tough. An Arbeiten war gar nicht zu denken. Aber dann wurde es entspannter und irgendwann hat eine Stimme in mir gesagt: „Jetzt machst du es“.
Für mich war es ideal, mich nebenberuflich selbstständig zu machen und nach der Elternzeit erst mal wieder zurück in den alten Beruf zu gehen.
So konnte mein Podcast-Baby langsam aber sicher wachsen und ich hatte noch die finanzielle Sicherheit und konnte auch persönlich wachsen, bis ich mir selbst zugetraut habe, selbstständig erfolgreich zu sein.
Welche Aufgabe/welchen Bereich hast du unterschätzt oder vorher gar nicht auf dem Schirm gehabt?
Die ganze Bürokratie. Meine Güte. Der Großteil meiner Zeit geht nicht in das, was man im Außen sehen kann, also eine neue Podcast-Folge oder die Inhalte im „Hi Baby Club“. Ein großer Teil sind Mails beantworten und dann die ganze Sache mit der Steuer. Ich sage nur „Umsatzsteuervoranmeldung“. Und als die Künstlersozialkasse zur Berechnung meiner monatlichen Beiträge wissen wollte, was ich als Jahresgewinn kalkuliert habe und bitte auch belegbar mit Excel-Tabellen, war ich kurz davor erst mal ne Runde zu Heulen, weil ich überhaupt nicht wusste, was die von mir wollen.
Wie kümmerst du dich um deine Altersvorsorge und wie gehst du damit um, wenn du mal krank bist und ausfällst?
Wir haben letztes Jahr eine Wohnung gekauft. Und ich habe mir mit dem Podcast Madame Moneypenny etwas Wissen über Geld und die Börse angeeignet. Ein fixer Betrag fließt monatlich auf ein Tagesgeld Konto und das wiederum regelmäßig in ETFs und Aktien.
Hast du ein Motto oder ein Mantra für deine selbstständige Arbeit?
Ja: Do it with passion or not at all. Das funktioniert ganz gut. Ich höre immer in mich rein und frage mich bei Anfragen aller Art oder auch bei Themen-Ideen: Fühle ich dafür „passion“? Brenne ich dafür? Wenn ja, dann mache ich es. Weil mal ehrlich, als Mama von zwei Kindern ist mir meine Zeit zu schade, wenn ich sie in Sachen stecke, hinter denen ich nicht voll stehe.
Was ist dein Tipp für spontane Krisensituationen, die wir als Eltern ja alle kennen und die in der Selbstständigkeit noch mal herausfordernder sein können?
Ich habe gemerkt, dass ich ziemlich perfektionistisch bin und extrem hohe Erwartungen an mich selbst habe. In den letzten Monaten, besonders seit der Schwangerschaft meiner Tochter, also Baby Nummer 2 habe ich mir hart antrainiert, die Dinge gelassener zu sehen.
Geht die Welt unter, wenn ich Mails nicht beantworte? Wenn ich nicht allen privaten Nachrichten auf Instagram antworte? Wenn ich mal eine Podcast-Folge ausfallen lasse? Nein.
Was mir zusätzlich hilft: Ich denke an all die Menschen, die meine Mails und Anfragen nicht beantwortet haben, an Geschäftspartner die Deadlines verpeilt haben und so weiter. Ist mir auch schon oft passiert und wie war das für mich? Gar nicht so dramatisch. Ich finde es nur wichtig, ehrlich zu kommunizieren und sich vor lauter Scham nicht in Lügen zu verstricken.
Wie viele Stunden in der Woche arbeitest du und wie organisierst du deinen Alltag mit Business, Freizeit und Kindern?
Das ist ganz schwierig zu beantworten aktuell. Es ist mal so mal so. Ich arbeite so viel wie nötig und so wenig wie möglich im Moment. Meine Tochter ist 11 Monate alt und wir haben zwar seit zwei Monaten ein AuPair, aber ich arbeite trotzdem nicht strikt 4 Stunden am Tag. Und das ist ja auch das Schöne am Selbstständig sein. Ich kann es mir rausnehmen, spontan eine Stunde mit meiner Tochter bei Sonnenschein am See spazieren zu gehen und wenn ich danach noch will und es der Terminkalender zulässt, schiebe ich meine To-Dos auf den nächsten Tag und leg mich ne Stunde in die Badewanne. Dafür arbeite ich dann aber auch an dem einen oder anderen Sonntag wieder ein paar Sachen rein.
Ich versuche aber eine Regel strikt einzuhalten: Wenn ich bei meiner Familie bin, arbeite ich nicht.
Daher habe ich auch keine beruflichen Mails auf meinem Handy, sondern nur am Laptop. Ehrlich gesagt klappt das nicht immer super gut und manchmal werde ich angerufen und plötzlich sitze ich zwischen meiner Tochter und ihren Spielsachen auf dem Wohnzimmerboden mit aufgeklapptem Laptop und tippe eine Mail. Aber meine Tochter erinnert mich dann immer sehr konsequent daran, dass das Kacke ist, was ich da mache. Und spätestes, wenn ich den ersten Satz in der Mail zum dritten Mal tippe, weil sie mit ihren kleinen Patschefingern auf die Tastatur haut oder den Laptop zuklappt, atme ich einmal tief ein und wieder aus und lege das Teil beiseite.
Seit Kurzem habt ihr ein Au-Pair. Weshalb habt ihr euch für diese Form der Unterstützung entschieden und wie läuft es so? Wem würdest du das auch empfehlen?
Bei Kind 2 habe ich zu meinem Mann gesagt: Wir teilen uns die Elternzeit 50:50. Zum einen, weil ich selbstständig bin und es mir einfach nicht leisten kann, ein Jahr keine Podcast-Folge mehr rauszubringen. Zum anderen aber auch, weil ich die Elternzeit bei unserem ersten Kind echt zäh fand und gemerkt habe, dass es mich nicht erfüllt, den ganzen Tag mit meinem Sohn zu verbringen.
Ich liebe meine Arbeit und ich liebe mich und meine Freiheit.
Dann haben wir eine Wohnung gekauft und meinem Mann war mein Einkommen als Selbstständige zu riskant für den großen Kredit, den wir abbezahlen möchten. Es gab einen großen Streit… Und ich habe ihm gesagt: „Okay, wenn du deinen Part der Elternzeit nicht übernehmen willst, dann kümmerst du dich um eine Alternative – und zwar eine, mit der ich auch einverstanden bin.“ Und jetzt haben wir Jeena, eine ganz wundervolle, junge Frau aus Indien, die unsere Tochter täglich sechs Stunden bespaßt und versorgt, während mein Mann und ich arbeiten oder andere wichtige Dinge machen.
In deinem Podcast und dem Mama-Club dreht sich alles rund um das Familienleben und die Herausforderungen, die man als Mama so hat. Hand auf‘s Herz: Hast du die Themen manchmal nicht satt und würdest dich inhaltlich gern mit etwas anderem beschäftigen?
Klingt das jetzt blöd, wenn ich sage: „Überhaupt nicht!“ Ich finde, über die Themen die ich anspreche, wird viel zu wenig gesprochen. Denn es geht nicht um „Das Familienleben“ sondern es geht um die vielen kleinen Details, die in unserer Gesellschaft meist tabuisiert oder komplett totgeschwiegen werden.
Wir haben ein recht unrealistisches Bild vom Mama sein und ich war ziemlich vor den Kopf gestoßen, als unser Sohn auf die Welt kam und alles so ganz anders war als ich mir das vorgestellt habe.
Und genau darüber spreche ich. Um Mamas zu zeigen: Hey, du bist nicht allein mit deinen Gefühlen. Mit deiner Überforderung. Mit deinem What-The-Fuck?! Es heißt nicht umsonst, unsere Kinder sind unsere größten Lehrmeister. Weil uns niemand so an unsere Grenzen bringt.
Manchmal passieren uns Mamas Dinge, die uns selbst erschrecken oder für die wir uns schämen.
Wir wissen nicht immer auf alles gleich die Antwort und sind überfordert, fühlen uns hilflos, alleine, und oft ganz schlecht noch obendrein. Da tut es so gut ehrlich drüber zu sprechen und einen Raum zu schaffen, wo sich Mamas austauschen können ohne gleich Angst zu haben, mit einem erhobenen Zeigefinger konfrontiert zu werden. Und meine Themenliste ist aktuell so lang, dass ich mich drei mal klonen könnte um sie abzuarbeiten…
Zu deinem Job gehört es, viel Privates z.B. auf Instagram oder in deinem Podcast zu teilen. Fällt dir das immer leicht oder setzt es dich auch manchmal unter Druck, oft persönliche Stories liefern zu müssen. Wie geht dein Umfeld damit um?
Mir macht das überhaupt nichts aus. Ich denke oft: „Wer interessiert sich schon für mich und meinen stinknormalen Alltag?“ Aber anscheinend sind das ja sehr viele und das Feedback ist eigentlich immer: “Danke für deine Ehrlichkeit.“
Ich bringe andere Mamas zum Lachen und nehme ihnen das schlechte Gefühl, dass sie die einzigen sind, wenn mal was nicht rund läuft.
Mein Mann sieht das genauso wie ich. Meine Kinder zeige ich nicht, weil sie noch zu klein sind, um das zu entscheiden und auch, um sie zu schützen. Nur meine weitere Familie, wie zum Beispiel Tanten und Onkel oder Freundinnen die im Grunde gar keine sind, finden das „viel zu privat“ und können stundenlang hinter meinem Rücken über meine Arbeit sprechen. Ich denke mir dann immer: Es gibt zwei Sorten von Menschen. Die, die ihren Tag damit verbringen, über andere Menschen zu sprechen. Und die, die einfach ihr Ding machen. Zu welcher Sorte man gehört, kann jede:r jeden Tag neu für sich entscheiden.
Vielen Dank für deine spannenden Antworten und weiterhin alles Gute für dich, Isabel!
Na, ist euer Interesse geweckt? Dann hört auf jeden Fall mal in Isabels Podcast „Hi, Baby!“ rein oder besucht sie auf ihrem Instagram-Account. Im „Hi Baby! Club“ gibt es gegen eine kleine Gebühr außerdem spannende und wertvolle Inhalte wie Isas Mom-Talk, Portraits oder ein Forum zum Austauschen.