Hallo Wechseljahre – Worauf wir uns freuen können

Interview mit Stephanie Hielscher

Als ich vergangenes Jahr auf den Podcast „50 über 50“ von Journalistin Stephanie Hielscher aufmerksam wurde, habe ich in erster Linie aufgrund der spannenden Frauen (Heike Makatsch, Alexa Hennig von Lange, Paula Lambert uvm.), mit denen sich Stephanie darin unterhalten hat, reingehört. Dass sich die Gespräche oft um das Thema Wechseljahre drehten, war für mich eher am Rande interessant. Immerhin bin ich erst 36 und von den ersten Anzeichen vermutlich noch ein paar Jahre entfernt.

Dass ich mich jetzt allerdings durchaus schon auf diese besondere Zeit in meinem Leben vorbereiten kann, dämmerte mir je mehr Gespräche ich hörte und spätestens seit ich Stephanies Buch „So alt war ich noch nie – Über das, was uns mit 50 erwartet“ gelesen habe.

Stephanie selbst plagten die ersten Wechseljahrsbeschwerden, da war sie gerade einmal Anfang 40 und hatte sich bis dahin noch gar nicht mit möglichen Symptomen und alters- und hormonbedingten Veränderungen auseinandergesetzt. Je mehr sie sich damit beschäftigte, desto mehr fiel ihr zudem auf, dass Frauen „um die 50“ im öffentlichen Leben, in den Medien und in Unternehmen so gar nicht mehr präsent sind. Warum gibt es keine „50 über 50“-Liste, fragte sich die Journalistin und nahm das Projekt kurzerhand selbst mit ihrem Podcast in die Hand. Aus den vielen wertvollen Gesprächen ist Ende 2024 ein inspirierendes Buch entstanden, in dem Stephanie all ihre Learnings teilt. Ein absolutes Must-read für alle Frauen ab 35, wie ich finde…

Für unser Interview ist Stephanie zu uns nach Leipzig gekommen und hat sich mit unserer Autorin Anne Schwerin und mir darüber unterhalten, worauf wir uns in den nächsten 10 bis 15 Jahren freuen können und was wir heute schon tun können, damit es uns langfristig gut geht.

Außerdem verrät sie, warum auch Unternehmen Frauen in den Wechseljahren nicht aus dem Blick verlieren sollten, wie sie zu Hause mit ihrem Sohn darüber spricht und, was es mit der berühmten Gelassenheit im Alter auf sich hat.

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Alle Fotos von Anne Schwerin.

Stephanie, worauf können wir – Frauen Mitte/Ende 30 – uns in den nächsten 10 bis 15 Jahren freuen? 

Oh, auf so viel! Vor allem auf einen Zugewinn an Freiheit. In eurem Alter habt ihr ja viele Themen rund um die Familie. Mein Sohn ist jetzt zwölf und gerade heute Morgen dachte ich, dass es schon toll ist, dass ich mich einfach in den Zug setzen und von Berlin zu euch nach Leipzig fahren kann. Mein Mann ist heute in Hamburg und es gibt eine Stunde, in der keiner von uns in Berlin ist. Es ist nicht so, dass ich nicht nervös wäre. Aber ich kann das jetzt machen, weil mein Sohn einfach schon ein bißchen größer ist.

Ich bin total gerne Mutter, aber ich freue mich trotzdem über diesen Zugewinn an Freiheit. 

Wann hast du gemerkt, dass sich in deinem Leben etwas verändert hat? 

Die ersten Symptome habe ich bemerkt, da war ich so 42, 43 Jahre alt. Da habe ich auf einmal nicht mehr gut geschlafen. Ich lag wach und konnte nicht mehr einschlafen. Danach habe ich juckende Haut bekommen. Das waren meine Hauptsymptome. Die sind dann wieder abgeebbt und vor einem Jahr etwa kam alles wieder. Jetzt sind weitere Symptome dabei, wie Gewichtszunahme, weil sich der Stoffwechsel umstellt. Ich mache deswegen auch gerade eine Ernährungsumstellung, die super funktioniert und das ist auch die gute Nachricht: Es gibt immer Dinge, die man tun kann. 

Davon hat dir deine Frauenärztin aber erst mal nichts erzählt, oder?

Als ich 40 war hat meine Frauenärztin zu mir gesagt: „Ab jetzt geht es bergab.” Das kann ich so also nicht unterschreiben. Das, was man beeinflussen kann, ist viel mehr, als wir denken. Zudem gehen wir ja auch mit einer gewissen Lebenserfahrung in diese Phase und wissen, dass wir die Instrumente haben, um schwierige Situationen zu durchstehen. Da kommen wir zur berühmten Gelassenheit, von der alle Frauen über 50 sprechen. Es hört sich nach einem Klischee an, aber es kommt nicht von ungefähr.

Man ist mehr bei sich, man ist selbstsicherer und kann besser Entscheidungen treffen.

Ich kann auch viel besser für das einstehen, was ich denke, fühle und für richtig halte, als ich das noch mit 25 oder 30 tun konnte. Dann kommt noch ein ganz wichtiger Effekt dazu: Die Selbstfürsorge wird immer wichtiger. Ihr seid jetzt noch in der Lebensphase, wo die Kinder so klein sind, dass Selbstfürsorge oft vernachlässigt wird. Aber wenn die Kinder ein bißchen älter sind, dann werden hierfür wieder Räume frei.

So wie man fürs Kind sorgen würde oder für eine gute Freundin sollte man das auch für sich tun.

Als bei dir mit Anfang 40 die ersten Symptome auftraten, hast du sie direkt mit den Wechseljahren in Verbindung gebracht? 

Nein, ich wusste nicht, dass das mit den Wechseljahren zu tun hat. Ich dachte, die fangen mit 50 an. Das ist aber gar nicht so. Bei vielen fängt die erste Phase, die Prämenopause, schon ab Ende 30 an. Ich hatte das Glück, dass ich meine Symptome irgendwie wegstecken konnte und sie nicht so schlimm waren. Das kann aber auch ganz anders sein.

Die Liste an Symptomen liest sich wirklich gruselig. Bis zu Depressionen kann es ja gehen… 

Ja, bei manchen Frauen entwickeln sich Depressionen und wenn man dann nicht weiß, dass diese auch mit den Wechseljahren in Verbindung stehen, kann es einem richtig schlecht gehen. Dabei kann man zum Beispiel mit einer bioidentischen Hormonersatztherapie das substituieren, was einem fehlt. Dann ist der Haushalt wieder im Gleichgewicht. Ich habe in meinem Buch das Beispiel von Leyla Piedayesh, der Designerin und Gründerin von Lala Berlin, die in eine sehr schwere Depression gerutscht ist.

Wenn sie gewusst hätte, dass die Depression mit ihren Hormonen zu tun hat, hätte sie sich diese düstere Zeit in ihrem Leben ersparen und etwas dagegen tun können. 

Deswegen ist es mir so ein Anliegen, darüber zu sprechen und aufzuklären, welche Symptome in welcher Lebensphase auftreten können und was man dagegen tun kann. 

Das sollten ja aber eigentlich die GynäkologInnen übernehmen, oder?

Natürlich! Die Situation hier ist aber leider ein Desaster.

Im Medizinstudium werden die Wechseljahre nicht gelehrt. Im gesamten Fachstudium Gynäkologie gibt es sechs Stunden zu diesem Thema. Das war’s.

Dazu kommt, dass das Gesundheitssystem keine Abrechnungsziffer für Beschwerden der Wechseljahre hat. Man kann natürlich mit Wechseljahrsbeschwerden hingehen und dann kann der Arzt das ein bißchen drehen und unter allgemeinen Beschwerden behandeln. Ich glaube, es sind im Schnitt 14,50 Euro im Quartal, die sich abrechnen lassen. Das ist einfach nicht lukrativ für die Ärzte. 

Zudem kennen sich viele eben nicht aus und wenn sie sich weiterbilden wollen, müssen sie das auf eigene Kosten über private Fortbildungen machen. Und das tun leider nicht viele.

Eine Frau geht im Durchschnitt zu drei bis vier verschiedenen Ärzten, bis sie jemanden findet, der ihr helfen kann. Das dauert einfach zu lange!

Du hast für deinen Podcast und für das Buch ja mit sehr vielen Frauen gesprochen. Wie viele Anfragen musstest du stellen? Waren alle sofort bereit, daüber zu sprechen? 

Nein, es ist ein totales Tabuthema, sich öffentlich dazu zu äußern, dass man in dem Alter ist und, dass man Beschwerden hat und nicht mehr so funktioniert. Die allermeisten Anfragen wurden abgelehnt. Zum Glück habe ich dennoch viele tolle Frauen gefunden, die bereit waren, offen zu sprechen. Daran sieht man, dass es langsam bröckelt und sich manche eben doch trauen. Mittlerweile gibt es auch mehr Literatur und Berichterstattung zu dem Thema, das ist total schön.

Auch in einigen Unternehmen rücken die Wechseljahre immer mehr in den Fokus.

Neulich habe ich eine Veranstaltung moderiert, die ein Unternehmen für die Mitarbeiterinnen in dieser Lebensphase organisiert hat. Der ganze Raum war voller Frauen, die vor ihrer Chefin und ihren Kolleginnen offen über ihre Beschwerden geredet und sich ausgetauscht haben. Räume zu schaffen, in denen darüber gesprochen wird, macht so viel aus.

Warum ist es für Unternehmen so wichtig, die Frauen in den Wechseljahren zu unterstützen? 

Das Problem ist, dass Frauen in dem Alter oft in Teilzeit gehen oder Führungsjobs, die ihnen zustehen würden, nicht annehmen, aus Angst, dass die Beschwerden dazwischen kommen. Manche kündigen sogar. Dabei haben wir sowieso schon zu wenig Arbeitskräfte. Das ist ein riesiges Problem und wird Unternehmen zunehmend bewusst. In UK gibt es eine nationale Menopause-Strategie. Die Unternehmen sind verpflichtet, nach und nach bessere Bedingungen für die Frauen zu schaffen. Das versuchen wir aktuell auch in Deutschland durchzubekommen. Ich bin bei der Kampagne “Wir sind 9 Millionen” dabei, die genau das fordert. Es wird sich etwas verändern müssen und es wird sich auch verändern. 

Wie geht ihr denn zu Hause mit dem Thema Wechseljahre um? Sprichst du zum Beispiel mit deinem Sohn darüber? 

Wir gehen total offen damit um. Wir sind ja eine Familie, da bekommt sowieso jeder alles mit.

Wenn mein Sohn mitbekommt, dass seine Mama nicht mehr schlafen kann und deswegen tagsüber müde ist oder andere Beschwerden hat, dann reden wir offen und altersgerecht darüber.

Genau wie er mitkriegt, wenn ich meine Periode habe. Für mich gibt es da keine Grenze. Für ihn ist das völlig selbstverständlich und das ist gut. Mein Mann ist auch total offen. Ich hatte eine Zeit lang echt miese Laune, da hat er Rücksicht auf mich genommen.

Stephanie, vielen Dank für diese vielen, spannenden Einblicke! Zum Abschluss noch eine Frage: Was hättest du mit deinem Wissen von heute mit 35 vielleicht schon anders gemacht? 

Oh, ich hätte da schon angefangen, meine Gewohnheiten umzustellen. Ich glaube, ich hätte schon mehr Sport gemacht, mehr auf meine Ernährung geachtet und versucht mir mehr Auszeiten zu gönnen, in denen ich mich um diese Dinge kümmern kann.

Stephanie Hielschers Buch „So alt war ich noch nie – Über das, was uns mit 50 erwartet“ könnt ihr hier bestellen. Den Podcast „50 über 50“ gibt es zum Beispiel auf Spotify zu hören. Mehr über die Kampagne „Wir sind neun Millionen“ erfahrt ihr hier. Folgt Stephanie für mehr Input rund um die Wechseljahre und ihre Projekte gern auch auf Instagram.

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