Frühlingsgefühle

Anne Schwerin über junge Gründer

Gastbeitrag

Frühlingsgefühle

„Männer wissen oft nicht, wie es ihnen geht“, habe ich kürzlich in der „Psychologie heute“ gelesen. Obwohl Gefühle, Beziehungen und Männer an sich zu meinen Lieblingsthemen gehören, gibt mir dieser Umstand nach wie vor Rätsel auf. Wenn ich etwas Bestimmtes fühle, kann ich eigentlich ziemlich schnell Worte dafür finden und habe zumindest in meinem privaten Umfeld wenig Angst davor, mich anderen zu offenbaren. Ich empfinde das meistens sogar als Erleichterung oder als Bereicherung für die Beziehung – und auf keinen Fall als Schwäche. Andersherum habe ich schon häufiger die Erfahrung gemacht, dass selbst Männer, die mir sehr nahe stehen, Probleme mit der Kommunikation über Gefühle haben. „Schweigen, Rückzug und Rationalisierung“, schreibt der Männerpsychotherapeut Björn Süfke, sind beliebte Strategien, um die Auseinandersetzung mit dem Thema zu vermeiden.

Ich kann das bis zu einem gewissen Grad verstehen. Manche Gefühle und Ereignisse sind einfach so schlimm oder so schwierig oder so unlösbar, dass Verdrängen der einzige vernünftige Weg ist. In anderen Situationen verpassen wir Frauen und Männer vielleicht gerade das Beste, wenn es uns nicht gelingt, uns beim Thema Emotionen irgendwo in der Mitte zu treffen. Denn indem wir uns unseren Gefühlen, so widersprüchlich sie manchmal auch sein mögen, aussetzen, haben wir auch die Chance, uns als wirklich lebendig wahrzunehmen, Nähe zu erfahren und mit ein wenig Glück irgendetwas zu schaffen – jenseits unserer beruflichen oder kreativen Leistungen – das wirklich von Bedeutung ist.

Warum stellt es für Männer solch eine Herausforderung dar, ihre Gefühle auszudrücken und wie können wir Frauen sie dabei unterstützen und ermutigen? – Ich freue mich sehr, dass ich in diesem Monat für meine Kolumne wieder einen interessanten jungen Unternehmer getroffen habe, der bereit war, über eine derart schwierige und persönliche Frage zu sprechen. Cornelius Voigt ist Geschäftsführer von cunaki.communications. Ich bin Cornelius als Fotografin auf einer Business-Veranstaltung begegnet und habe einen zauberhaften Nachmittag in einem alten Schlosspark hinter dem Auenwald von Leipzig mit ihm und meiner Kamera verbracht.

Gastbeitrag Anne Schwerin Cornelius

Cornelius, in dem Artikel, den ich gelesen habe, steht, Männer bräuchten eine Art emotionale Emanzipation, weil sie selbst den höchsten Preis für ihre Probleme beim Thema Gefühle zahlen. Aber wollt ihr das überhaupt?

Emotionale Emanzipation. Da gibt es sicher, wie immer im Leben, unterschiedliche Herangehensweisen. Es passt natürlich nicht in dieses stereotype Männerbild, Gefühle zu zeigen. Männer müssen stark sein. Männer müssen funktionieren.

Empfindest du das selbst auch so?

Wenn man als Geschäftsführer jetzt anfängt, über seine Gefühle zu reden, dann gibt es dem potentiellen Gegenüber vielleicht Angriffspunkte, Möglichkeiten einen zu manipulieren, weißt du, was ich meine?

Na klar, aber ist das wirklich nur so, wenn du über Gefühle redest? Bei sachlichen Fragen lassen sich doch genauso Schwachstellen finden, wenn man es unbedingt möchte.

In sachlichen Dingen kann ich argumentativ stark sein. Gefühle sind demgegenüber etwas höchst Persönliches, etwas absolut Eigenständiges, Herzensdinge, die aus deinem tiefsten Inneren kommen. Das ist schon ziemlich schwierig…

Also würdest auf jeden Fall sagen, dass das Gefühl an sich intimer ist als der Gedanke.

Ja, definitiv. Ich glaube, das, was mir Unbehagen bereitet, ist, dass Gefühle so über einen kommen können. Man spürt das ja mitunter regelrecht körperlich. Ich habe dann vielleicht Angst, dass ein bestimmtes Gefühl mich sprichwörtlich lähmt. Gefühle mit jemandem zu teilen, ist eine enorme Vertrauenssache und wirkt gleichzeitig vertrauensbildend. Man muss schon eine starke zwischenmenschliche Basis dafür mitbringen. Zudem will eine Frau ja auch den starken Mann an ihrer Seite. Da wären Gefühle, die Schwäche zeigen, teilweise fehl am Platz. Hier kommt für den Mann durchaus wieder dieser Stereotyp ins Spiel: Sei der Traumprinz, der Starke – nicht nur physisch stark, sondern auch mental stark – der sagt „Ich bin hier und du kannst dich in meinem Arm wohlfühlen, weil ich der Stärkere bin“.

Also siehst du die Fähigkeit, Gefühle zuzulassen gar nicht als Stärke?

Ich glaube, das sind zwei unterschiedliche Sachen. Also, dass man immer mal Gefühle zulässt, ist ok. Ich weine auch manchmal – vor Freude oder vor Rührung, aber ebenso vor Schmerz, auch mentalem Schmerz. Aber die Frage ist halt immer wieder, was die Frau mir gegenüber dann von mir hält. Bin ich dann schwach für sie, in dem Moment oder bin ich dann generell schwach, weil ich Gefühle zulasse, sie zeige und auch vielleicht noch drüber rede? Ich kann mir vorstellen, viele Männer verkneifen sich das Weinen, weil sie halt nicht schwach erscheinen wollen. Vor allem vor den Leuten, bei denen sie denken, dass sie sie beschützen müssen. Und genauso ist es mit dem drüber Reden. Dieses Reflektieren und dieses „Ich rede jetzt über meine Gefühle“, das ist ja ein bewusster Umgang mit diesen Gefühlen…da müsste „Mann“ das ja zulassen…

Du willst sagen, das bewusste drüber Reden ist eigentlich genauso schwierig wie das Zeigen…

Ja, durchaus. Es kommt halt darauf an, wem gegenüber.

Das ist krass, du verbindest mit Gefühle zeigen gleich so etwas wie Gefahr oder dass irgendetwas aus den Fugen gerät!

Gefahr ist zu viel gesagt, aber das etwas aus den Fugen gerät auf jeden Fall. Und dass ich das Gesicht verliere. Wir reden hier natürlich über Stereotypen, aber das ist schon etwas, was einem vermittelt wurde und womit wir aufgewachsen sind.

Na klar. Emanzipation hin oder her, unterbewusst spielt das schon noch eine Rolle.

Und deshalb fällt es vielleicht als erwachsener Mann schwer, über Gefühle zu reden, da ist wie so eine Burgmauer, die nicht überschritten werden darf. Weißt du, was ich meine?

Gastbeitrag Anne Schwerin Cornelius 1

Ja, ich verstehe dich. Aber Cornelius, was kann ich denn tun, wenn ich möchte, dass ein Mann seine Gefühle nicht verdrängt und mit mir auch darüber spricht?

Vertrauen aufbauen. Eine vertrauensvolle Umgebung ist wichtig und natürlich eine gemeinsame Basis. Und dann kommt es darauf an, bestimmte Situationen anzusprechen: „Wie hast du das erlebt?“ – „Was hast du dabei empfunden?“ – „Wie geht es dir?“.

Aber was ist, wenn auf dieses – „Wie geht es dir?“ – nur ein ehrliches –„Ich weiß es nicht.“ – kommt? Denn genau das thematisiert ja der Artikel, die Schwierigkeit, die eigenen Gefühle überhaupt erstmal zu identifizieren.

Dann liegt es unter Umständen bei dir – und ich glaube, dafür bist du prädestiniert – einfach die Frage anders zu stellen. Es kann auch helfen, wenn du eine bestimmte Situation nochmal gemeinsam durchgehst und dabei vielleicht auch selbst beschreibst, wie es dir ging. Das ist ja auch eine vertrauensbildende Maßnahme, Sachen von sich aus Preis zu geben. Nach dem Motto: „Ich sage dir was, sagst du mir was.“

Ok, vertrauensvolle Basis schaffen und vielleicht auch nicht erwarten, dass der Mann sich emotional emanzipiert, wie es dieser Psychologe beschreibt…

Ich glaube, das ist schwierig. Was man noch probieren kann, aber ich sage mal, das ist ein ziemlich unlauteres Mittel… (lacht) Also, was immer ganz gut tut, ist halt ein wenig Enthemmung… Also, vielleicht was zusammen trinken – aber nicht zu viel! Wie gesagt, das ist eigentlich ein unlauteres Mittel und vielleicht ein bisschen fies. Es kommt auf den Moment an.

(Lacht) Wie lustig, das Gleiche hat mir mein Bruder aber auch empfohlen… Das sollte mir zu denken geben! Das ist ein schöner Schluss.

Gastbeitrag Anne Schwerin Cornelius 2

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Schöne Bilder und Texte – bei Anne gibt’s beides aus einer Hand. Als freie Redakteurin und Fotografin ist es ihr Job, spannende Themen aufzuspüren und gekonnt in Szene zu setzen. Das größte Projekt von allen wartet indes ungeduldig zuhause auf sie. Seit 2019 ist Anne stolze Mami eines kleinen, süßen Jungen – und das hat ihr Leben ordentlich durcheinander gewirbelt. Auf LAYERS berichtet sie von den Höhen und Tiefen ihres neuen Alltags.

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