Während sich gefühlt die ganze Literaturwelt Deutschlands mit dem neuen Roman von Benjamin von Stuckrad-Barre beschäftigt, schwimme ich gegen den Trend. Ich kann mich auch gleich mal outen, denn ich habe noch nie ein Buch vom ihm gelesen. Ich glaube das ist aber auch eher nebensächlich an dieser Stelle. Viel lieber möchte ich euch drei Romane vorstellen, die meines Erachtens viel zu wenig Aufmerksamkeit bekommen haben und dringend aus dem Schattendasein geholt werden müssen. Nicht nur, dass diese Romane mich tief bewegt haben und hochaktuell sind, alle Protagonistinnen haben es nicht leicht im Leben und schafften es doch mich mit ihren Geschichten zu empowern.
Ist die Erde hart von Malla Nunn
Adele Joubert beginnt im Januar 1956 ein weiteres Schuljahr in einem Internat in Swasiland (Anmerkung: Seit 2018 eSwatini). Die Keziah Christian Academy ist ausschließlich für sogenannte „Mischlingskinder“ und das Leben dort nicht immer einfach. Eigentlich ist Adele gut darin, nicht anzuecken, allerdings läuft in diesem Jahr alles anders. Sie muss mit der unbeliebten und etwas eigenartigen Lottie in die Kammer der toten Lorraine ziehen. Dort soll es angeblich spucken, jedoch stellt sich bald die bittere Realität als der viel größere Albtraum heraus.
Dieses Buch hat mich nicht nur einmal zu Tränen gerührt und obwohl ich „Ist die Erde hart“ im Oktober 2022 gelesen habe, muss ich noch heute oft dran denken und bekomme Gänsehaut.
Der Roman zieht einen förmlich ein in das Leben am Internat und gibt den LeserInnen eine wichtige Lektion in Sachen Freundschaft, Armut und Hinterfragen von vermeintlichen Gegebenheiten. Einfach nur stark, was Autorin Malla Nunn mit dem Roman geschaffen hat, und zum Glück versteckt sich zwischen all der Dramatik auch eine Prise Humor. Das Buch ist keinesfalls ein Jugendroman und doch erlebt man durch den Blick einer jungen Heranwachsenden, welch perfides System der Apartheidsstaat damals etablierte.
Was verloren geht von Zinzi Clemmons
Thandi wächst in Pennsylvania auf, wo sie sich nie so richtig zugehörig fühlte, denn ihre Mutter kommt aus Johannesburg in Südafrika. Zwar schließt Thandi Freundschaften, verliebt sich und baut sich ein Leben auf, aber unter anderem die Worte einer Mitschülerin, sie sei keine richtige Schwarze, hallen in ihr nach. Als plötzlich ihre Mutter an Krebs erkrankt, reist die junge Frau nach Südafrika, um sich von ihr zu verabschieden.
Es ist nicht nur ein Abschied, sondern auch ein Willkommen, denn Thandi lernt mehr über ihre Familie und ihre Wurzeln.
Obwohl „Was verloren geht“ erstmal nach einem klassischen Plot für eine Coming-of-Age Geschichte klingt, ist der Roman doch wesentlich vielschichtiger. An vielen Stellen meint man biografische Aspekte der Autorin durchschimmern zu sehen und so wird die Geschichte noch greifbarer und emotionaler. Geschickt verknüpft Zinzi Clemmons außerdem Blogbeiträge, Fotografien und Zeitungsauschnitte und webt sie in den Romanverlauf ein. Ein spannendes und interessantes Stilmittel.
Du musst verrückt sein, wenn du trotzdem glücklich bist von Kopano Matlwa
In ihrem Roman greift die Autorin Kopano Matlwa brandaktuelle Themen Südafrikas auf. Durch die Hauptfigur Masechaba und ihre Freundin Nyasha aus Simbabwe verhandelt sie Xenophobie und widmet sich der Generation der „Born Free“. Die erste Generation, die mit freien Wahlen nach dem Ende der Apartheid aufgewachsen ist.
Während so viel Hoffnung auf dieser Generation lag, ist sie gleichermaßen entmutigt durch die Steine, die ihr in den Weg gelegt wurden.
Masechaba arbeitet als Assistenzärztin in Johannesburg. Während sie ihren Alltag halbwegs bewältigt, schlummert in ihr ein Schmerz, den sie die „Bestie“ nennt.
Seit dem Erscheinen „Du musst verrückt sein, wenn du trotzdem glücklich bist“ warte ich sehnsüchtig auf einen weiteren Roman von Kopano Matlwa. Das Buch ist so ehrlich, berührend, warm und gleichzeitig auch abstoßend, genauso wie hoffnungsvoll und schön, dass ich es kaum aus der Hand legen wollte. Wer mehr über die jüngste Vergangenheit der Regenbogennation erfahren möchte, ist mit dem Roman bestens beraten.
Kennt ihr Bücher, die zu Unrecht zu wenig Aufmerksamkeit bekommen haben? Dann ist dies nun eure Chance, sie in der Kommentarspalte zu würdigen. Nur zu! Ich freue mich auf euren Input.